05.05.2014·Wissenschaft Steigerung der periimplantären Osteogenese: Künstliche Matrix oder Keramikbeschichtung?
·Wissenschaft
Steigerung der periimplantären Osteogenese: Künstliche Matrix oder Keramikbeschichtung?
von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „Zahnmedizin Report“, Berlin
| Die Osseointegration von dentalen Implantaten kann durch Beschichtung der Implantatoberfläche positiv beeinflusst werden. Klinisch ist dies insbesondere bei Patienten mit reduzierter Knochenqualität relevant. Mehrere Forschergruppen sehen insbesondere bei Beschichtungen mit organischen Stoffen wie Kollagen, Chondritinsulfat oder Hyaluronan vielversprechende Erfolge. Andere setzen auf eine keramische Schicht um das Titanimplantat. |
Was bewirkt die Beschichtung dentaler Implantate?
Die Beschichtung dentaler Implantate mit Bestandteilen der extrazellulären Matrix kann die Osseointegration in kompromittiertem Knochenbeeinflussen. Dr. Paula Korn und Kollegen der Universität Dresden untersuchten im Großtiermodell den Effekt von Implantatbeschichtungen aus artifizieller extrazellulärer Matrix auf die periimplantäre Osteogenese. Die Beschichtung der kommerziellen Titanimplantate mit sandgestrahlter und säuregeätzter Oberfläche erfolgte mit Kollagen Typ I und Chondroitinsulfat (coll/CS; Sulfatierungsgrad 0,8) oder mit sulfatiertem Hyaluronan (coll/sHya; Sulfatierungsgrad 1,4) als Analogon eines nativen sulfatierten Glykosaminoglykans.
Nach vier Wochen Einheilzeit zeigten Implantate mit Referenzoberfläche einen Knochen-Implantat-Kontakt (BIC) von 44 Prozent. Implantate mit coll/CS Beschichtung wiesen einen vergleichbaren BIC (48 Prozent) und Implantate mit coll/sHya Beschichtung einen signifikant geringeren BIC (37 Prozent) auf. Im Verlauf der Implantateinheilung glich sich der BIC der experimentellen Gruppen an. Nach acht Wochen war der Osteoid-Implantat-Kontakt (OIC) für Implantate mit coll/CS Beschichtung signifikant höher als bei Implantaten der coll/sHya Gruppe (0,9 Prozent versus 0,4 Prozent). Auch war nach acht Wochen die Knochen-Volumen-Dichte (BVD) für beide Implantatbeschichtungen (coll/CS 30 Prozent; coll/sHya 32 Prozent) signifikant höher als die der Referenzoberfläche (22 Prozent). [1]
In einer zweiten Versuchsreihe an der Universität Dresden wurden Titanimplantate mit Kollagen I und zwei regioselektiv verschieden sulfatierten Hyaluronan-Derivaten (Hya4 und Hya6) beschichtet. Nach vier Wochen zeigten Implantate mit Hya4-Beschichtung den höchsten spongiösen Knochen-Implantat-Kontakt (BIC), der sich im weiteren Zeitverlauf aber wieder verringerte. Nur für Implantate mit Hya6-Beschichtung erhöhte sich nach über acht Wochen der Knochen-Implantat-Kontakt leicht (Hya6: 50,8 Prozent). [2]
Auch an der Universität Jena wurde der Einfluss einer organischen Beschichtung auf die Osseointegration untersucht. Dazu wurden Titanimplantate mit Kollagen I (10 μg) mittels Sprühverfahren beschichtet. Die Kollagen-Beschichtung führte im Vergleich zu Titan zu einer signifikanten Erhöhung der Kollagen-I-Expression im periimplantären Knochen, zu einer signifikanten Erhöhung der Osteocalcin-Expression sowie zu einer signifikanten Erhöhung des Knochen-Implantat-Kontakts (BIC). [3]
Keramik- statt Titanoberfläche
Bisher nur an Zellkulturen getestet sind Implantate, deren Titanoberflächen in poröse Keramikoberflächen umgewandelt wurden. Hier hat die Aachener Firma Meotec ein Verfahren entwickelt, mit dem die Keramisierung von Titanimplantaten durch plasmaelektrolytische Oxidation – ein kombiniertes Verfahren aus Plasmatechnik und Elektrochemie – stattfindet. Die erzeugten Schichten bieten nach Auskunft von Prof. Dr. Dr. Ralf Smeets (Universität Hamburg) dem anwachsenden Hart- und Weichgewebe durch ihre offene Oberflächenporosität eine optimale Zellnische und ideale Ankerpunkte für eine Kontakt-Osteoenese. Durch Einlagerung von Kalziumphosphaten in die Keramikschicht soll die Gewebeantwort stimuliert werden. Die Porosität kann durch die Wahl der Prozessparameter präzise gesteuert werden, wodurch die Oberfläche für die Zellinteraktion optimiert werden kann. Alle getesteten Schichtvarianten zeigten eine sehr gute Zellverträglichkeit. Eine der getesteten Varianten mit geringer Rauheit weist überraschend eine zellstimulierende Wirkung auf und übertrifft damit die raueren Schichtvarianten. (4)
Strontium stimuliert Osteoblasten und blockiert Osteoklasten
Einen ganz anderen Weg geht man an der Universität Innsbruck: Der diametrale Effekt von Strontium, das knochenaufbauende Osteoblasten stimuliert und knochenabbauende Osteoklasten blockiert, ist weitreichend bekannt und war Grundlage für eine Tierversuchsreihe an der Uni Innsbruck. Die Wissenschaftler entwickelten dazu eine bioaktive, nur 1.200 nm dicke Implantatbeschichtung aus TiSrO, die kontinuierlich Strontium freisetzt. Die Ergebnisse im Tierversuch zeigen: Die periimplantäre Knochenneubildung wird aufgrund der osteoinduktiven Eigenschaften von Strontium gefördert. Die Zunahme der Knochenneubildung korreliert mit den freigesetzten Strontiumkonzentrationen in vitro. Die Entwicklung einer neuen bioaktiven Oberfläche mit einer prolongierten Freisetzung von Strontium ist ein vielversprechender Ansatz zur Verbesserung der Osseointegration, folgert DDr. Vincent Offermanns. (5)
Quellen
- [1] Paula Korn P et al. Förderung der peri-implantären Osteogenese durch Implantatbeschichtung.
- [2] Schulz M C et al. Beeinflussung der Osseointegration dentaler Implantate mittels Beschichtung aus Kollagen I und sulfatiertem Hyaluronan
- [3] Schultze-Mosgau S. Tierexperimentelle Untersuchungen zur Osseointegration beschichteter Implantatoberflächen
- [4] Smeets R et al. Neuartige keramisierte Abutment- und Implantatoberflächen – ein neuer Weg im Weichgewebs/Hartgewebs-Management – eine In-vitro-Analyse
- Alle: 64. Kongress der DGMKG; 11. bis 14. Juni 2014 in Mainz
- (5) Offermanns V et al. Biofunktionalisierung enossaler Implantate mittels inkorporiertem Strontium: eine In-vivo-Studie. 18. Jahreskongress der Österreichischen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie; Mayrhofen, 27.bis 31. Januar 2014