30.09.2019·Zahnsteinentfernung Zahnstein am Implantat bei Kassenpatienten entfernen ‒ nach BEMA oder GOZ abrechnen?
·Zahnsteinentfernung
Zahnstein am Implantat bei Kassenpatienten entfernen ‒ nach BEMA oder GOZ abrechnen?
| Wie kommt es zu den unterschiedlichen Aussagen bei der Abrechnung für das Entfernen von Zahnstein an Implantaten bei Kassenpatienten? Ist diese Leistung nach dem BEMA vorzunehmen, weil es eine Rechtsprechung dazu gibt? PI stellt Ihnen die Hintergründe vor und gibt Tipps zur Abrechnung. |
Die Entfernung von Zahnstein im BEMA
Die Leistungslegenden und Abrechnungsbestimmungen zur Zahnsteinentfernung im BEMA lauten:
BEMA |
Leistungstext |
Punkte |
Betrag |
107 (Zst) |
Entfernen harter Zahnbeläge, je Sitzung |
16 |
17,14 Euro |
107a (PBZst) |
Entfernen harter Zahnbeläge bei Versicherten, die einem Pflegegrad nach § 15 SGB XI zugeordnet sind oder Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten, je Sitzung |
16 |
17,14 Euro |
Abrechnungsbestimmungen zu Nr. 107: Das Entfernen harter Zahnbeläge ist einmal pro Kalenderjahr abrechnungsfähig. Die Leistung nach Nr. 107 kann nicht abgerechnet werden, wenn in demselben Kalenderhalbjahr bereits eine Leistung nach Nr. 107a abgerechnet worden ist.
Abrechnungsbestimmungen zu Nr. 107a: Die Leistung nach Nr. 107a ist einmal pro Kalenderhalbjahr abrechnungsfähig. Sie kann nicht abgerechnet werden, wenn in demselben Kalenderhalbjahr bereits eine Leistung nach Nr. 107 abgerechnet worden ist. |
Das Entfernen von Zahnstein ist in den Legenden der BEMA-Nrn. 107/107a nur auf Zähne begrenzt und zeitlich beschränkt. Diese Begrenzung führt zu der restriktiven Handhabung in der gesetzlichen Krankenversicherung, dass nur das Entfernen harter „Zahn“beläge eine Vertragsleistung ist, das Reinigen beispielsweise von Brückengliedern und Implantaten jedoch nicht. Eine weitere Einschränkung ist, dass bei der Berechnung der Zahnsteinentfernung im BEMA nicht unterschieden wird, wie viele Wurzeln ein Zahn hat.
Die Bundeszahnärztekammer hat 2004 eine Information zur Zahnsteinentfernung nach BEMA-Position 107 ‒ „Die Professionelle Zahnreinigung als ideale Ergänzung“ ‒ publiziert. Auch darin ist ausschließlich von Zähnen die Rede.
Die Zahnsteinentfernung ist grundsätzlich nur einmal pro Kalenderjahr berechenbar, die BEMA Nr. 107a hingegen je Halbjahr für die genannten Personenkreise. Weiterhin sind die Bestimmungen zu den Nrn. P200 bis P203 zu beachten.
PRAXISTIPP | Ist die Zahnsteinentfernung nach BEMA-Nr. 107 mehrfach im Jahr erforderlich und/oder geht es um die Entfernung von Zahnstein z. B. bei Implantaten, muss dies im Vorfeld mit dem Patienten per Privatvereinbarung nach § 8 Abs. 7 BMV-Z vereinbart werden. |
Die Entfernung von Zahnstein in der GOZ
Die Leistungslegenden zur Zahnsteinentfernung in der GOZ lauten:
GOZ |
Leistungstext |
Punkte |
Euro/2,3-fach |
4050 |
Entfernung harter und weicher Zahnbeläge gegebenenfalls einschließlich Polieren an einem einwurzeligen Zahn oder Implantat, auch Brückenglied |
10 |
1,29 |
4055 |
Entfernung harter und weicher Zahnbeläge gegebenenfalls einschließlich Polieren an einem mehrwurzeligen Zahn |
13 |
1,68 |
Abrechnungsbestimmungen Die Leistungen nach den Nummern 4050 und 4055 sind für denselben Zahn innerhalb von 30 Tagen nur einmal berechnungsfähig. |
Der Leistungsumfang der Nrn. 4050 und 4055 GOZ enthält im Gegensatz zum BEMA die Entfernung harter und weicher Beläge. Die GOZ differenziert darüber hinaus die Belagsentfernung für ein- und mehrwurzelige Zähne. Im Rahmen einer Röntgendiagnostik kann daher die tatsächliche Anzahl an Wurzeln geprüft und Abweichungen notiert werden.
Die Nr. 4050 GOZ ist nicht nur für einwurzelige Zähne, sondern auch für Implantate und Brückenglieder berechenbar. Sie kann frühestens nach Ablauf von 30 Tagen erneut berechnet werden. Diese Einschränkung besteht seit 2012, vorher gab es keine Begrenzung.
Die Entfernung von Belägen in den Behandlungsrichtlinien
Geben die Behandlungsrichtlinien Auskunft, ob bei Implantaten und Suprakonstruktionen eine Berechnung nach BEMA erfolgt? Diese enthalten folgende Bestimmungen:
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B. IV. 1. Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehören das Entfernen von harten verkalkten Belägen und die Behandlung von Erkrankungen der Mundschleimhaut.
B. V. 1. Grundlagen, Ziel der Behandlung und Indikationen Das Parodontium umfasst Gingiva, Wurzelzement, Desmodont und Alveolarknochen. Es verankert den Zahn im Kieferknochen und bildet dadurch mit dem Zahn eine Funktionseinheit. Entzündliche Erkrankungen des Parodontiums, die mit Attachmentverlust einhergehen, werden als Parodontitiden bezeichnet. Parodontitiden sind multifaktorielle Erkrankungen. Sie werden durch parodontopathogene Mikroorganismen verursacht. Ihre Progredienz wird durch endogene und exogene Risikofaktoren beeinflusst. Das Ziel der Behandlung von Parodontitiden ist, entzündliche Erscheinungen zum Abklingen zu bringen, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern und einem weiteren Alveolarknochenverlust und damit Zahnverlust vorzubeugen. Regelmäßige Voraussetzung für die durchzuführende Parodontitistherapie ist das Fehlen von Zahnstein und sonstiger Reizfaktoren sowie die Anleitung des Patienten zur richtigen Mundhygiene.
B. VI. 1. Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehören das Entfernen von harten verkalkten Belägen und die Behandlung von Erkrankungen der Mundschleimhaut. |
Ergebnis: Auch in den Richtlinien findet sich kein Hinweis, ob die Entfernung von Zahnstein bei Implantaten bzw. deren Suprakonstruktion nach dem BEMA berechnungsfähig ist.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
In einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2011 ging es um eine GKV-Patientin, der nach einem schweren Verkehrsunfall mit Gesichtsverletzungen je vier Implantate im Ober- und Unterkiefer zulasten der gesetzlichen Krankenkasse inseriert wurden (Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V). 2005 beantragte die Patientin bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für das Entfernen harter und weicher Implantatbeläge, was ihr jedoch versagt wurde.
Das BSG entschied: Die zahnärztliche Versorgung umfasst nicht nur das Entfernen harter, verkalkter Beläge an Zähnen, sondern auch entsprechende Beläge an Implantaten und Suprakonstruktionen, die nicht vom Versicherten herausgenommen und gereinigt werden können. Dass die BEMA-Nr. 107 von „Zahnbelägen“ spricht, stehe dem nicht entgegen. Da sich Zahnbeläge auf Zahnersatz, Implantaten und Zähnen befinden, werde auch das Entfernen harter Beläge an Implantaten und Suprakonstruktionen erfasst. Bei Anwendung der BEMA-Nr. 107 sei deshalb für diese Fälle davon auszugehen, dass diese auch das Entfernen harter Beläge an ausnahmsweise als Sachleistung erbrachten Implantaten (und darauf aufgesetzten Suprakonstruktionen) erfasst.
Die Richter führten weiter aus, dass diese Regelung jedoch nur die Erstversorgung mit Implantaten betreffe. Jeder weitere Behandlungsbedarf löse eine eigene Prüfung der Sach- und Rechtslage aus. Die Richter betonten, dass nicht alles, was medizinisch notwendig ist, der Leistungspflicht der GKV unterliege. Die GKV stelle den Versicherten nur Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung. Unerheblich sei hierbei, ob das Entfernen harter Beläge an Implantaten mit der Punktzahl der BEMA-Nr. 107 adäquat bewertet ist (BSG, Urteil vom 21.06.2011, Az. B1 KR 17/10). In der Rechtsprechung des BSG ist anerkannt, dass die Leistungspflicht letztlich nicht davon abhängt, dass bzw. in welchem Umfang medizinisch notwendige Leistungen liquidierbar sind.
Privatvereinbarung bei Zahnsteinentfernung der Regelfall
Das mehrfache Entfernen von Zahnstein im Kalenderjahr und an Implantaten sollte nach vorheriger Aufklärung schriftlich nach § 8 Abs. 7 BMV-Z mit dem GKV-Patienten vereinbart werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei wenigen Implantaten und/oder Brückengliedern der Kostenaufwand für die Aufklärung, die schriftliche Vereinbarung und Rechnungslegung in keinem Verhältnis zum Honorarbetrag steht. Daher wird die Entfernung von Zahnstein an einzelnen Implantaten oftmals kostenfrei durchgeführt, was dem Patienten jedoch auch mitgeteilt werden sollte. Werden im Rahmen der Behandlung weitere Privatleistungen erbracht, steht der Berechnung der Nr. 4050 GOZ nichts im Wege ‒ es sei denn, es wird aus sozialen Gründen erlassen.
FAZIT | Das Entfernen von Zahnstein an Implantaten ist im Regelfall keine Kassenleistung. |