02.11.2012·Abrechnung Die Abrechnung weichgewebschirurgischer Maßnahmen: Was ist zu beachten?
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Die Abrechnung weichgewebschirurgischer Maßnahmen: Was ist zu beachten?
von Anja Mehling, Syndikusanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht, und Heidi Schuldt, Gebührenreferentin, Health AG, Hamburg
| Plastische weichgewebschirurgische Maßnahmen kommen in unterschiedlichen (operativen) Situationen zum Einsatz. Vordergründig sind hier die Bereiche der Parodontalchirurgie (Rezessionsdeckung), der Allgemeinchirurgie (Wurzelspitzenresektionen, Extraktionen, Osteotomien) und der Implantatchirurgie (Freilegung) zu nennen. Das Einsatzgebiet ist vielfältig, die Abrechnung entsprechender Maßnahmen allerdings umstritten. In diesem Beitrag wird die korrekte Vorgehensweise bei der Abrechnung aufgezeigt. |
Unter welchen Voraussetzungen sind weichgewebschirurgische Maßnahmen separat berechenbar?
Weichgewebschirurgische Maßnahmen können unter bestimmten Voraussetzungen zusätzlich neben chirurgischen, parodontologischen und implantologischen Leistungen abgerechnet werden.
In den Allgemeinen Bestimmungen zu den Abschnitten Teil D. Chirurgische Leistungen, Teil E. Leistungen bei Erkrankungen der Mundschleimhaut und des Parodontiums sowie Teil K. Implantologische Leistungen der GOZ ist festgehalten, dass die primäre Wundversorgung Bestandteil der jeweiligen Leistung und nicht gesondert berechnungsfähig ist. Darüber hinausgehende weichgewebschirurgische Maßnahmen sind zusätzlich berechnungsfähig – es sei denn, eine Lappenplastik wird explizit in der Leistungsposition der chirurgischen bzw. implantologischen Hauptleistung aufgeführt oder ist aufgrund der zugehörigen Abrechnungsbestimmungen mit der Leistung abgegolten.
Die neu in die GOZ 2012 aufgenommene Leistung nach Nr. 3100 kann für die „Plastische Deckung im Rahmen einer Wundversorgung einschließlich einer Periostschlitzung, je Operationsgebiet (Raum einer zusammenhängenden Schnittführung)“ zur Abrechnung herangezogen werden. Diese Leistung dient dem spannungsfreien Wundverschluss; sie ist berechnungsfähig, wenn eine einfache Readaption der Wundränder nicht möglich oder nicht indiziert ist. (GOZ-Kommentar der Bundeszahnärztekammer, Stand 7. Juni 2012, S. 115)
Der Verordnungsgeber hat die Einführung der Nr. 3100 wie folgt begründet:
„Diese Leistung soll kleinere im Rahmen einer Wundversorgung einschließlich einer erforderlichen Periostschlitzung auftretende Eingriffe abbilden. Eine Periostschlitzung erfüllt im Rahmen der Wundversorgung nicht den Inhalt der Leistung nach der Nr. 3100. Ortsgleiche Eingriffe ohne Verlagerung von Weichgewebe sind jedoch mit den Gebühren für die operativen Leistungen abgegolten und nicht gesondert berechnungsfähig. Die Leistung nach der Nr. 3100 kann neben anderen operativen Leistungen berechnet werden.“ (Bundesgesundheitsministerium, GOZ-Kabinettsbeschluss, Stand 16. September 2011, S. 60)
Wird der Mukoperiostlappen hingegen zusätzlich geschwenkt, gedreht oder verschoben, so entspricht dies nicht dem Leistungsinhalt der GOZ-Nr. 3100. In diesem Fall kann die Abrechnung nach der GOÄ-Nr. 2382 erfolgen. Ebenfalls werden Spalt-, Schwenk- und Stiellappen unter der GOÄ-Nr. 2382 subsumiert. Das wird durch die Bundeszahnärztekammer bestätigt: „Die Vornahme schwieriger Lappenplastiken (zum Beispiel Spaltlappenplastik) wird nach Nr. 2382 (GOÄ) berechnet.“ (BZÄK, GOZ-Kommentar, Stand: 7. Juni 2012, S. 115). Daneben sind weitere weichteilplastische Maßnahmen – wie zum Beispiel Vestibulumplastiken oder totale Mundbodenplastiken im Zusammenhang mit chirurgischen Maßnahmen – denkbar.
Ablehnende Haltung der Kostenerstatter
Die Berechnungs- und Erstattungsfähigkeit weichgewebschirurgischer Leistungen wird von Kostenerstattern nicht selten mit dem Hinweis, der (normale) Wundverschluss sei mit den Gebühren für die (parodontal-/implantat-)chirurgische Leistung abgegolten, abgelehnt. Laut einer Stellungnahme des PKV-Verbandes kann jedoch ein Wundverschluss mit zusätzlicher Lappenbildung nach GOZ-Nr. 3100 – soweit eine Periostschlitzung erfolgt – berechnet werden.
Des Weiteren ist der PKV-Verband der Ansicht, die Abrechnung von Vestibulumplastiken sei nicht gerechtfertigt. Die typische Indikation zur Vestibulumplastik stelle die Schaffung eines ausreichenden Prothesenlagers für Vollprothesen bzw. Hybridprothesen oder Teilprothesen dar. Der Wundverschluss mit zusätzlicher Lappenbildung erfülle nicht den Leistungsinhalt einer Vestibulumplastik. Der Ansatz der Leistungen nach der GOZ-Nr. 3240 oder der GOÄ-Nrn. 2675 und 2676 sei in diesen Fällen nicht gerechtfertigt (siehe Beilage zu PKV Publik Nr. 6/2012).
Dem ist mit der Bundeszahnärztekammer entgegenzuhalten: „Die Leistung kann sowohl der Verbesserung des Weichteillagers als eine präprothetische Maßnahme dienen als auch im Rahmen anderer chirurgischer, parodontalchirurgischer oder implantologischer Maßnahmen, zum Beispiel zur Verbreiterung der fixierten Gingiva, erfolgen […].“ (BZÄK, GOZ-Kommentar, S. 125).
Zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen bei der Honorarabrechnung ist in jedem Fall die kurze, aber prägnante Dokumentation des Wundverschlusses bzw. des zusätzlichen Aufwandes und der Technik anzuraten. Eine gute Dokumentation ist Grundlage für die erfolgreiche Geltendmachung und Durchsetzung eines streitigen Honorars.
Zusammenfassung
Eine zusätzliche Abrechnung weichgewebschirurgischer Maßnahmen kann immer dann erfolgen, wenn eine einfache Readaption der Wundränder nicht möglich oder indiziert ist und eine Weichgewebsverlagerung – zum Beispiel mittels Periostschlitzung, Schwenkung, Drehung oder Verschiebung des Mukoperiostlappens – durchgeführt wird. Insofern ist die Berechnung von Vestibulum- bzw. Mundbodenplastiken neben allgemeinchirurgischen, parodontalchirurgischen und implantologischen Maßnahmen möglich.
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Methode (Lappentechnik) |
Kurzbeschreibung der Lappentechnik |
Abrechnung nach GOZ/GOÄ |
Mukoperiostlappen |
Trapezförmiger Lappen mit Periostschlitzung zur spannungsfreien Abdeckung |
GOZ-Nr. 3100 |
Modifizierter Widmann-Lappen und modifizierter Kirkland-Lappen |
Beide Lappentechniken entsprechen repositionierten Lappen, die in ursprünglicher Position vernäht werden. Manchmal ist eine koronale Verschiebung der Lappen durch eine Periostschlitzung indiziert. Dadurch ändern sich gegebenenfalls der Umfang und die Berechnungsmöglichkeit. |
Beide Lappentechniken entsprechen im Normalfall einem einfachen Wundverschluss und sind mit der Hauptleistung abgegolten. Bei koronaler Verschiebung mit Periostschlitzung könnte gegebenenfalls die GOZ-Nr. 3100 in Ansatz gebracht werden. |
Papillenerhaltungslappen nach Takei |
Die Papille wird dabei palatinal-lingual umschnitten und nach bukkal mobilisiert. |
GOÄ-Nr. 2382 |
Papillenerhaltungslappen modifiziert nach Cortelli |
Die Papille wird von bukkal seminular umschnitten und der Lappen nach Durchtrennung des Periosts koronal mobilisiert. |
GOÄ-Nr. 2382 |
Lateraler Verschiebelappen |
Dabei wird ein Spaltlappen gebildet, mobilisiert und nach lateral reponiert. |
GOÄ-Nr. 2382 |
Koronaler Verschiebelappen |
Dabei wird ein Spaltlappen gebildet, mobilisiert und nach koronal reponiert. |
GOÄ-Nr. 2382 |
Apikaler Verschiebelappen |
Präparation eines partiellen oder vollen Schleimhautlappens, der über die mukogingivale Grenzlinie hinaus nach apikal mobilisiert wird. Daran anschließend kann ein Vollschicht- oder aber ein Mukosalappen (Spaltlappen/split flap) gebildet werden. |
Bei apikaler Verschiebung mit Periostschlitzung könnte die GOZ-Nr. 3100 in Ansatz gebracht werden. Bei anschließender Bildung eines Spaltlappens wäre hingegen die GOÄ-Nr. 2382 denkbar. |
Rolllappen |
Beim Rolllappen muss das Gewebe zum Teil ausgedünnt werden, um es nach dem Mobilisieren einschlagen und adaptieren zu können. |
GOÄ-Nr. 2382 |
Envelope-Technik, auch Tunneltechnik |
Vestibuläre Präparation eines unterminierenden Spaltlappens zur Einschiebung/Einlagerung eines Bindegewebstransplantats |
GOÄ-Nr. 2382 |
Hinweis | Die Übersicht der weichgewebschirurgischen Maßnahmen wurde nach intensiver Recherche erstellt. Die erbrachten zahnärztlichen Leistungen und deren Umfang können nur vom Behandler bewertet werden.
Sollte die Berechnung einer schwierigen Schleimhautlappenplastik analog erfolgen?
Die Tatsache, dass manche Kostenerstatter die Erstattung der GOÄ-Nr. 2382 („Schwierige Hautlappenplastik/Spalthauttransplantation“) mit dem Hinweis, diese Gebührennummer könne „nur im Bereich der Haut und nicht im oralen Bereich (im Mund) berechnet werden“, ablehnen, mag eine analoge Berechnung sinnvoll erscheinen lassen. Die GOÄ-Nr. 2382 liegt im für Zahnärzte geöffneten Bereich und beschreibt eine chirurgische Leistung im Bereich der Körperoberfläche. Insofern ist die analoge Berechnung einer Schleimhautplastik – unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 6 Abs. 1 GOZ – durchaus denkbar.