02.11.2012·Investitionen Ein Fräszentrum in Eigenregie – lohnt sich das?
·Investitionen
Ein Fräszentrum in Eigenregie – lohnt sich das?
von Dr. Detlev Nies, ö. b. u. v. Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen, www.praxisbewertung-praxisberatung.com
| In letzter Zeit sind häufig Überlegungen angestellt worden, wie die Auslagerung zahntechnischer Arbeiten in das Ausland oder in gewerbliche Großlabore gebremst werden kann. Eine Möglichkeit der „Gegensteuerung“ besteht darin, dass von Zahnärzten – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit kleineren zahntechnischen Laboren – hoch technisierte Arbeitsvorgänge in Deutschland durchgeführt werden. Am Beispiel eines Fräszentrums soll hier gezeigt werden, wie entsprechende Investitionen kalkuliert werden können und welche Auswirkungen das auf den Laborbetrieb hat. |
Die aktuelle Entwicklung im Dentalmarkt
Das in das Ausland verlagerte Umsatzvolumen schwächt die einheimische Zahntechnik und Dentalindustrie. Als Folge davon werden Arbeitsplätze abgebaut und zahntechnische Betriebe liquidiert. Der Wissens- und Kapitaltransfer zum Beispiel nach China und in andere Länder mit niedrigem Lohnniveau führt dazu, dass die Konkurrenzsituation für zahntechnische Unternehmen in Deutschland auch in der Zukunft zunehmend schwieriger wird. Kapitalkräftige Großlabore versuchen zunehmend, Einfluss auf Zahnarztpraxen zu nehmen, indem sie entweder die Praxen in Abhängigkeiten von den zahntechnischen Laboren bringen oder versuchen, mittels ausgefeilter Werbestrategien die Patienten in Praxen umzuleiten, die dann verpflichtet sind, die zahntechnischen Arbeiten bei dem betreffenden Großlabor anfertigen zu lassen.
Der Praxisfall
Eine größere Zahnarztpraxis mit Praxislabor erwägt die Anschaffung einer computergesteuerten 5-Achsen-Fräsmaschine, um anfallende Fräsarbeiten (Zirkon, Keramikinlays, Veneers, NEM-Gerüste etc.) in Eigenregie zu erbringen. Das Gerät kann maximal 1.000 Einheiten pro Monat bzw. 12.000 Einheiten pro Jahr aus den unterschiedlichsten Materialien fräsen. Die Tagesleistung liegt bei maximal 40 Einheiten, woraus sich rechnerisch eine Maximalleistung von 14.600 Einheiten pro Jahr ergibt. Unter „Einheit“ ist dabei zum Beispiel eine Krone, ein Brückenglied für den Ersatz eines Zahnes oder ein Inlay zu verstehen. Eine viergliedrige Brücke sind zum Beispiel vier Einheiten. Eine Gusskrone oder ein Zirkongerüst für einen Zahn sind jeweils eine Einheit.
Kleinere Systeme wie zum Beispiel CEREC sind hierfür nicht geeignet, da sie lediglich ein Material (zum Beispiel Keramikblöcke) bearbeiten können.
Räumlichkeiten zur Aufstellung des Geräts sind vorhanden, qualifiziertes zahntechnisches Personal steht zur Verfügung. Aus der Praxisstatistik ist ersichtlich, dass pro 100.000 Euro Praxisumsatz jeweils 100 Fräseinheiten anfallen. Die zu entrichtenden Steuern werden hier nicht berücksichtigt.
Die Fixkosten
Der Einfachheit halber wird unterstellt, dass sich die Fixkosten in den nächsten zehn Jahren prozentual im gleichen Ausmaß wie die Erlöse verändern. Die Gesamtinvestition inklusive der Installationskosten beträgt 200.000 Euro, soll auf 10 Jahre verteilt und linear abgeschrieben werden. Hieraus resultiert eine jährliche Belastung von 20.000 Euro. Die Maschine inklusive der Nebenaggregate wird in einem eigenen Raum (15 m2) aufgestellt, die Monatsmiete beträgt 15 Euro pro m2. Hieraus resultieren jährliche Kosten von 2.700 Euro.
Die Finanzierung der Investition erfolgt über ein Annuitätendarlehen zum Zinssatz von 5 Prozent pro Jahr. Die Zinsen betragen demnach im ersten Jahr (vereinfacht) 10.000 Euro, im zweiten Jahr 9.000 Euro, im dritten Jahr 8.000 Euro usw. Die Kosten für Reinigung, Wartung und Reparaturen betragen 2.000 Euro pro Jahr. Zum Betrieb der Anlage vor Ort wird ein qualifizierter Zahntechniker benötigt (jährliche Kosten 50.000 Euro). Die anteiligen Reinigungskosten für den Laborraum belaufen sich auf 1.200 Euro im Jahr. Die Kosten für die Abrechnung der erbrachten Leistungen sowie die Buchhaltung betragen 500 Euro im Monat oder 6.000 Euro pro Jahr. Für Organisation, Geschäftsführung und sonstige Kosten fallen 3.000 Euro im Monat oder 36.000 Euro im Jahr an. Hierin sind auch Fortbildungskosten enthalten.
Wenn das Praxislabor räumlich getrennt von der Praxis geführt wird, müssen die labortechnischen Arbeiten zum Beispiel mit einem Smart von der Praxis in das zahntechnische Labor gebracht und wieder abgeholt werden. Die Kosten hierfür betragen 300 Euro pro Monat für das Fahrzeug und 400 Euro für eine Aushilfskraft, also insgesamt 700 Euro pro Monat oder 8.400 Euro pro Jahr.
Hieraus ergibt sich folgende Übersicht (in 1.000 Euro):
|
||||||||||
Kostenart |
Jahr 1 |
Jahr 2 |
Jahr 3 |
Jahr 4 |
Jahr 5 |
Jahr 6 |
Jahr 7 |
Jahr 8 |
Jahr 9 |
Jahr 10 |
Abschreibung |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
20,0 |
Miete |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
2,7 |
Zinsen |
10,0 |
9,0 |
8,0 |
7,0 |
6,0 |
5,0 |
4,0 |
3,0 |
2,0 |
1,0 |
Wartung |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
2,0 |
Zahntechniker |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
50,0 |
Transport |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
8,4 |
Reinigung |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
1,2 |
Abrechnung |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
6,0 |
Sonstiges |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
36,0 |
Gesamt |
136,3 |
135,3 |
134,3 |
133,3 |
132,3 |
131,3 |
130,3 |
129,3 |
128,3 |
127,3 |
Stückzahlabhängige (variable) Kosten
Die variablen Kosten hängen zum einen von dem verwendeten Material (Kosten für Rohlinge und Fräser) und zum anderen von der Bearbeitungszeit pro gefräster Einheit ab (Energie, Druckluft). Außerdem ist von Bedeutung, wie viele Einheiten pro Fräsersatz bearbeitet werden können. Aufgrund der unterschiedlichen am Markt verfügbaren Materialien, Rohlinge und damit auch Qualitäten und Kosten können hier lediglich ungefähre Angaben gemacht werden (in Kursivschrift sind die Zahlen gesetzt, die bei den weiteren Rechenschritten verwendet werden):
|
|||||
Kostenart |
NEM-Legierung |
Zirkon |
HIP-Zirkon |
Glaskeramik |
Titan |
Fräsersatz |
120,00 Euro |
200,00 Euro |
200,00 Euro |
350,00 Euro |
120,00 Euro |
Fräsvorgänge / Satz |
75,00 Euro |
500,00 Euro |
20,00 Euro |
50,00 Euro |
80,00 Euro |
Stückkosten Fräsersatz |
1,60 Euro |
0,40 Euro |
10,00 Euro |
7,00 Euro |
1,50 Euro |
Rohling |
120,00 Euro |
180,00 Euro |
250,00 Euro |
120,00 Euro |
120,00 Euro |
Einheiten / Rohling |
30,00 Euro |
30,00 Euro |
30,00 Euro |
5,00 Euro |
30,00 Euro |
Stückkosten / Rohling |
4,00 Euro |
6,00 Euro |
8,33 Euro |
24,00 Euro |
4,00 Euro |
Strom, Druckluft |
0,10 Euro |
0,10 Euro |
0,36 Euro |
0,15 Euro |
0,10 Euro |
netto |
5,70 Euro |
6,50 Euro |
18,69 Euro |
31,15 Euro |
5,60 Euro |
Fixe und variable Kosten bei unterschiedlichen Stückzahlen
Aus den bisher dargelegten Zahlen ergibt sich, dass die Stückkosten stark von der Anzahl der produzierten Einheiten einerseits und dem verwendeten Material andererseits abhängig sind. In der „normalen“ Praxis werden in erster Linie NEM-Legierungen und Zirkon verarbeitet werden; daher bezieht sich die Beispielrechnung auf diese beiden Materialien. Es wird unterstellt, dass jeweils die Hälfte der Einheiten auf NEM-Legierungen bzw. Zirkon entfällt. Für das erste Jahr nach Anschaffung des Geräts ergibt sich folgendes Bild:
|
||||||
Fräseinheiten pro Jahr |
Fixe Kosten |
Variable Kosten NEM (netto) |
Variable Kosten Zirkon (netto) |
Kosten gesamt |
Fixkostenanteil |
Durchschnittliche Stückkosten |
1.000 |
136.300 Euro |
2.850 Euro |
3.250 Euro |
142.400 Euro |
95,7 % |
142,40 Euro |
2.000 |
136.300 Euro |
5.700 Euro |
6.500 Euro |
148.500 Euro |
91,8 % |
74,25 Euro |
3.000 |
136.300 Euro |
8.550 Euro |
9.750 Euro |
154.600 Euro |
88,2 % |
51,53 Euro |
4.000 |
136.300 Euro |
11.400 Euro |
13.000 Euro |
160.700 Euro |
84,8 % |
40,18 Euro |
5.000 |
136.300 Euro |
14.250 Euro |
16.250 Euro |
166.800 Euro |
81,7 % |
33,36 Euro |
6.000 |
136.300 Euro |
17.100 Euro |
19.500 Euro |
172.900 Euro |
78,8 % |
28,82 Euro |
7.000 |
136.300 Euro |
19.950 Euro |
22.750 Euro |
179.000 Euro |
76,1 % |
25,57 Euro |
8.000 |
136.300 Euro |
22.800 Euro |
26.000 Euro |
185.100 Euro |
73,6 % |
23,14 Euro |
9.000 |
136.300 Euro |
25.650 Euro |
29.250 Euro |
191.200 Euro |
71,3 % |
21,24 Euro |
10.000 |
136.300 Euro |
28.500 Euro |
32.500 Euro |
197.300 Euro |
69,1 % |
19,73 Euro |
11.000 |
136.300 Euro |
31.350 Euro |
35.750 Euro |
203.400 Euro |
67,0 % |
18,49 Euro |
12.000 |
136.300 Euro |
34.200 Euro |
39.000 Euro |
209.500 Euro |
65,1 % |
17,46 Euro |
Entsprechende Berechnungen können für andere Kostenkonstellationen angestellt werden. Es ist aber nicht zu übersehen, dass selbst bei voller Auslastung des Geräts der Fixkostenanteil die variablen Kosten deutlich übersteigt.
Die Erlöse und Gegenüberstellung mit den Kosten
Unterstellt wird, dass je 100.000 Euro Praxisumsatz 100 zu fräsende Einheiten anfallen, von den zu fräsenden Einheiten 70 Prozent über die gesetzlichen Krankenkassen zu einem Durchschnittspreis von 60 Euro und 30 Prozent über private Kostenträger zum Durchschnittspreis von 100 Euro abgerechnet werden können. Erlöse für weitere eventuell anfallende Arbeiten – wie das Anfertigen von Modellen, Einartikulieren etc. – sind hierbei nicht berücksichtigt. Bei den unterschiedlichen Stückzahlen fallen die folgenden Erlöse an:
|
|||
Stückzahl |
Erlöse Kasse |
Erlöse privat |
Erlöse gesamt |
1.000 |
42.000 Euro |
30.000 Euro |
72.000 Euro |
2.000 |
84.000 Euro |
60.000 Euro |
144.000 Euro |
3.000 |
126.000 Euro |
90.000 Euro |
216.000 Euro |
4.000 |
168.000 Euro |
120.000 Euro |
288.000 Euro |
5.000 |
210.000 Euro |
150.000 Euro |
360.000 Euro |
6.000 |
252.000 Euro |
180.000 Euro |
432.000 Euro |
7.000 |
294.000 Euro |
210.000 Euro |
504.000 Euro |
8.000 |
336.000 Euro |
240.000 Euro |
576.000 Euro |
9.000 |
378.000 Euro |
270.000 Euro |
648.000 Euro |
10.000 |
420.000 Euro |
300.000 Euro |
720.000 Euro |
11.000 |
462.000 Euro |
330.000 Euro |
792.000 Euro |
12.000 |
504.000 Euro |
360.000 Euro |
864.000 Euro |
Ein Vergleich der Ergebnisse der Tabellen 3 und 4 führt zu folgendem Resultat:
|
||||
Stückzahl |
Gesamtkosten |
Gesamterlöse |
Verlust bzw. Gewinn |
Verlust bzw. Gewinn/Fräseinheit |
1.000 |
142.400 Euro |
72.000 Euro |
-70.400 Euro |
-70,40 Euro |
2.000 |
148.500 Euro |
144.000 Euro |
-4.500 Euro |
-2,25 Euro |
3.000 |
154.600 Euro |
216.000 Euro |
61.400 Euro |
20,47 Euro |
4.000 |
160.700 Euro |
288.000 Euro |
127.300 Euro |
31,83 Euro |
5.000 |
166.800 Euro |
360.000 Euro |
193.200 Euro |
38,64 Euro |
6.000 |
172.900 Euro |
432.000 Euro |
259.100 Euro |
43,18 Euro |
7.000 |
179.000 Euro |
504.000 Euro |
325.000 Euro |
46,43 Euro |
8.000 |
185.100 Euro |
576.000 Euro |
390.900 Euro |
48,86 Euro |
9.000 |
191.200 Euro |
648.000 Euro |
456.800 Euro |
50,76 Euro |
10.000 |
197.300 Euro |
720.000 Euro |
522.700 Euro |
52,27 Euro |
11.000 |
203.400 Euro |
792.000 Euro |
588.600 Euro |
53,51 Euro |
12.000 |
209.500 Euro |
864.000 Euro |
654.500 Euro |
54,54 Euro |
Dieser Tabelle ist zu entnehmen, dass mehr als 2.000 Fräseinheiten pro Jahr angefertigt werden müssen, um ein Gerät kostendeckend zu betreiben. Dies entspricht einem Umsatzvolumen von mehr als 2 Mio. Euro, das nur von sehr wenigen Praxen erreicht wird. Daher ist einer einzelnen Praxis vom Erwerb abzuraten. Wenn sich jedoch mehrere Zahnärzte zusammenschließen (Umsatzvolumen 4 bis 5 Mio. Euro), kann die Investition wirtschaftlich sinnvoll sein.