02.11.2012·Aktuelle Rechtsprechung Die Grenzen des Nachbesserungsrechts von Zahnärzten: Neue Tendenzen
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Die Grenzen des Nachbesserungsrechts von Zahnärzten: Neue Tendenzen
von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-legal.de
| Nachdem zwei Entscheidungen des OLG Koblenz jüngst Gelegenheit dazu gegeben hatten, die Voraussetzungen des Verlusts des Vergütungsanspruchs und die Grenzen des zahnärztlichen Nachbesserungsrechts zu erörtern, sorgt eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Jena für weitere Diskussionen (Urteil vom 29. Mai 2012, Az: 4 U 549/11, rechtskräftig, Abruf-Nr. 122609 unter pi.iww.de). |
Der Sachverhalt
Nach herrschender Auffassung zum zahnärztlichen Nachbesserungsrecht ist aufgrund der Qualifikation des Behandlungsvertrages als Dienstvertrag ein Behandlungserfolg nicht geschuldet. Dem Behandler muss aber – beispielsweise bevor sein Vergütungsanspruch kündigungsbedingt entfällt – bei prothetischen Versorgungen normalerweise die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben werden. Nach der Entscheidung des OLG Jena ist diese Aussage möglicherweise mit einem Fragezeichen zu versehen.
In dem der Entscheidung des OLG Jena zugrundeliegenden Sachverhalt wurde die klagende Patientin in den Jahren 2000 bis 2006 vom beklagten Zahnarzt an den Zähnen 27 und 37 prothetisch versorgt (Einbringung einer Kunststofffüllung und später deren Ersatz durch ein Goldinlay an Zahn 27; Versorgung von Zahn 37 mit einer Vollkeramikkrone). Im Rahmen einer zahnärztlichen Notfallbehandlung am 9. und 10. Februar 2007 in einer Universitätsklinik wurde an beiden Zähnen Sekundärkaries festgestellt. Die Patientin stellte sich beim Zahnarzt daraufhin nicht wieder vor, sondern suchte statt dessen direkt einen dritten Behandler zur Durchführung einer Nachversorgung auf und verlangte die Zahlung von Schmerzensgeld und den Ersatz von Nachbehandlungskosten.
Das Landgericht Erfurt wies die Klage mit dem Argument ab, die Patientin habe den Zahnarzt zuvor nicht zur Nachbesserung aufgefordert. Das OLG Jena hob das Urteil unter Zurückverweisung vor allem mit der Begründung auf, dass bei einem im Raume stehenden Vorwurf eines Befunderhebungsfehlers – der Zahnarzt konnte die Ausschlussbefunderhebung der Sekundärkaries nicht belegen – die Möglichkeit zur Nachbesserung nicht eingeräumt werden müsse und der Patient hierzu nicht explizit auffordern müsse. Im Übrigen sei eine Kündigung des Vertrages auch durch schlüssiges Verhalten möglich.
Nacherfüllungsanspruch versus Nachbesserungsrecht
Grundsätzlich gilt: Der Zahnarzt hat bei einer prothetischen Behandlung im Rahmen des Zumutbaren die Möglichkeit zur Vornahme von Korrekturen – unter Umständen bis hin zur kompletten Neuanfertigung („Nachbesserungsrecht“). Ein gesetzlicher Nacherfüllungsanspruch – wie zum Beispiel im Werkvertragsrecht vorgesehen – ist den Vorschriften über den Dienstvertrag jedoch fremd.
Ausgehend hiervon kommt das OLG Jena zur Auffassung, dass ein Nachbesserungsrecht jedenfalls dann nicht bestehe, wenn erstens der Vertrag entweder bereits gekündigt worden ist oder zweitens „besondere Umstände vorliegen, welche die Notwendigkeit eines Nacherfüllungsverlangens ausschließen“. Letzteres sei dann der Fall, wenn die in Rede stehende Maßnahme einer Nachbesserung nicht zugänglich sei – wie vorliegend zum Beispiel die in der Vergangenheit liegende Pflicht zur Befunderhebung bzw. -sicherung.
Aushöhlung des Nachbesserungsrechts?
Ob eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Behandlungsfehlertypen, wie sie das OLG Jena vornimmt, sachgerecht ist, kann bezweifelt werden; zur Rechtsklarheit trägt sie nur begrenzt bei. Mit dieser Argumentation wäre auch eine umfassende Aushöhlung des Nachbesserungsrechts möglich. Denn – wie in der Literatur zutreffend angemerkt – „ist nicht nur bei einem Befunderhebungsfehler, sondern auch bei allen weiteren Behandlungsfehlertypen das Vertrauensverhältnis regelmäßig nachhaltig beeinträchtigt“. Dies sei auch auf die „technischen“ Behandlungsabschnitte – Anfertigen und Einsetzen von Zahnersatz – übertragbar (Ballhausen, NJW 2012, 2359).
Das Kündigungsrecht wird bis dato vor allem über das Kriterium der „Zumutbarkeit“ einer Nachbesserung eingeschränkt. Hierzu positioniert sich das OLG Jena nicht; aus den Formulierungen des Gerichts könnte sogar gefolgert werden, dass auf diese Einschränkungen verzichtet wird: Eine für den Behandler erkennbare Vertragsbeendigung könne sich auch aus schlüssigem Verhalten ergeben. Hierzu heißt es:
„Hier ist die Beendigung der Behandlung durch die Klägerin im Dezember 2006 auch nach dem objektiven Empfängerhorizont des Beklagten als eine solche Kündigung aufzufassen. Der Beklagte beruft sich selbst darauf, er habe vergeblich versucht, die Klägerin zu kontaktieren; sie habe die laufende Behandlung „von sich aus abgebrochen“.
Was bleibt? Ein Ausblick
Das Urteil bietet der Patientenseite Argumentationsstoff, um den Anwendungsbereich des Nachbesserungsrechts einzuschränken. Besonders misslich scheint es, dass sogar das Bemühen um eine Nachbesserung durch den Behandler – vergebliche Kontaktaufnahme mit dem Patienten – als Anhaltspunkt für eine nicht zu beanstandende Kündigung und nicht etwa als Indiz für einen Verstoß gegen eine Schadensminderungspflicht gewertet wird.