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04.10.2010 |Aktuelle Rechtsprechung Die Überschreitung der Kostenschätzung beim HKP: Was ist zulässig, was nicht?

04.10.2010 |Aktuelle Rechtsprechung

Die Überschreitung der Kostenschätzung beim HKP: Was ist zulässig, was nicht?

Der Heil- und Kostenplan (HKP) informiert den Patienten über die Kosten einer vorgesehenen zahnärztlichen Behandlung. Dieses Formular und der Kostenvoranschlag vom Dentallabor sind – juristisch betrachtet – eine Aufstellung der voraussichtlich entstehenden Kosten und haben weder eine Verbindlichkeit noch stellen sie eine Preisgarantie dar. Der Zahnarzt ist jedoch gehalten, insbesondere seine Honorarschätzung so genau wie möglich vorab zu definieren. 

Überschreitung der Behandlungskosten

Die auf dem HKP aufgeführten Kosten können überschritten werden. Problematisch wird es allerdings, wenn nach Beendigung einer Therapie die Kosten weit höher liegen als im HKP vorgesehen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche rechtliche Verbindlichkeit einem zu Behandlungsbeginn erstelltem HKP zukommt und wo die Toleranzgrenze für die Höhe bei einer Überschreitung liegt. Eine pauschale Aussage lässt sich hier nicht vornehmen – es zählt immer der Einzelfall mit seinen Besonderheiten. In der seit Jahren bekannten Rechtsprechung zu dieser Thematik wird davon ausgegangen, dass eine Überschreitung von15 bis 20 Prozent, in Einzelfällen auch bis 25 Prozent, vom Patienten akzeptiert werden müsse.  

Hinweistext unter der Kostenaufstellung

Unter jeglichen HKP sollte im Anschluss an die Gesamtkosten ein Zusatztext verankert sein, der einen Hinweis enthält, dass die Kosten nur geschätzt sind und der tatsächliche Gesamtpreis von diesem Betrag abweichen kann. Möglich ist auch der Zusatz, das der Patient umgehend informiert wird, wenn von dem ursprünglich aufgestellten HKP abgewichen wird (zum Beispiel zusätzliche Überkronung eines Zahnes). Eine verbale Information durch den Behandler ist sofort vorzunehmen. Ein neuer HKP und gegebenenfalls Kostenvoranschlag vom Dentallabor wird kurzfristig dem Patienten zugestellt, um auf die geänderte Kostensituation hinzuweisen und die Unterlagen erneut einem privaten Kostenerstatter vorzulegen. 

Urteile bei Kosten-Überschreitung

Bereits am 3. Dezember 1981 sah das LG Bielefeld (Az: 2 S 258/80) eine Überschreitung der vorgesehenen Gesamtkosten in Höhe von 25 Prozent als erheblich an. Für das Werkvertragsrecht ist die Überschreitung des Kostenvoranschlages in § 650 BGB geregelt. Obwohl in der Zahnmedizin der Behandlungsvertrag in der Regel als Dienstvertrag nach § 611 BGB zu qualifizieren ist, ist § 650 BGB zumindest hinsichtlich seines Rechtsgedankens auch auf die Überschreitung des Heil- und Kostenplanes im Rahmen der (zahn-)ärztlichen Behandlung anzuwenden – so ein Urteil des AG Nettetal vom 29. Januar 1992 (Az: 4 C 254/90). Nach § 650 BGB hat der Unternehmer gegenüber dem Besteller unverzüglich anzuzeigen, wenn sich eine wesentliche Überschreitung des Kostenvoranschlages abzeichnet. Dabei ist immer der Einzelfall zu prüfen.  

 

Dentallabor: Mehraufwendungen nicht zu Lasten des Zahnarztes

Mehraufwendungen für Material- und Laborkosten sollen nach Ansicht des AG Köln im Urteil vom 1. Oktober 1986 (Az: 136 C 323/86) grundsätzlich nicht zu Lasten des Zahnarztes gehen – zumindest bei Herstellung des Zahnersatzes in einem gewerblichen Dentallabor. Dabei ist zu beachten, dass dies nur für geringfügige Überschreitungen – bis höchstens 25 Prozent – gelten kann; anderenfalls dürfte eine Gebührenvorausberechnung kaum mehr Sinn machen. 

 

Praxislabor: Voraussichtliche Kosten relativ exakt zu bestimmen

Das OLG Köln hat am 16. Juni 1997 (Az: 5 U 35/97) einen pauschalen Hinweis im HKP, dass bei Leistungen, die den 2,3-fachen Satz überschreiten, entsprechende medizinische Begründungen in der Rechnung ausgewiesen werden, als aussagelose Leerfloskel gewertet. Eine solche Klausel könne eine Erhöhung des ursprünglich angesetzten Steigerungsfaktors nicht ohne Weiteres rechtfertigen. Die Material- und Laborkosten überschritten nach Fertigstellung der Prothetik 30 Prozent. Der Zahnarzt unterhielt ein praxiseigenes Labor, so dass die zu erwartenden Laborkosten relativ exakt im Voraus zu bestimmen waren. 

 

Zahnärztliches Honorar so exakt wie möglich aufschlüsseln

Das LG Hannover hat am 29. Oktober 1998 (Az: 19 S 9/98) entschieden, dass bei der Frage nach der Verbindlichkeit eines HKP zwischen Material- und Laborkosten und zahnärztlichem Honorar zu differenzieren ist. Der Zahnarzt sei vor Aufstellung des HKP in der Lage, die zu erbringende Leistung zu überblicken und gegenüber dem Patienten verpflichtet, das zahnärztliche Honorar so exakt wie möglich aufzuschlüsseln. Der Patient müsse darauf vertrauen dürfen, dass keine höheren Kosten auf das Honorar anfallen, sofern nicht im Verlaufe der Behandlung unvorhersehbare Schwierigkeiten auftauchen, die eine Abweichung vom HKP rechtfertigen. Im HKP wurde darauf hingewiesen, dass Material- und Laborkosten nur geschätzt werden können.  

 

Bei Material- und Laborkosten ist mit höheren Kosten zu rechnen

Das OLG Brandenburg hat sich dieser Sichtweise am 14. September 2006 (Az: 12 U 31/06) angeschlossen. Wenn für Patienten ersichtlich sei, dass es sich bei den Material- und Laborkosten nur um eine Schätzung handelt, könne er sich darauf einrichten, dass höhere Kosten anfallen; eine Verbindlichkeit des HKP sei folglich im Hinblick auf Material- und Laborkosten zu verneinen. Nach Meinung des OLG Brandenburg gilt dies nicht für im HKP angegebene Steigerungssätze. Hier gingen die Richter davon aus, dass der Zahnarzt vor der Behandlung in der Lage ist, zu erwartende Schwierigkeiten einzuschätzen.