Zahnmedizin

Greifswalder Studie bestätigt: Tiefe Parodontaltaschen fördern Demenzrisiko

Die Längsschnittstudie SHIP (Study of Health in Pomerania) erforscht seit 1997 den Einfluss von Munderkrankungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand der Bevölkerung. Daten dieser Studie zeigen, dass eine chronische Parodontitis – von der je nach Alter 15 bis 45 % der Menschen betroffen sind – das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz erhöht.

Jetzt haben Wissenschaftler der Universitätsmedizin Greifswald in der US-amerikanischen Fachzeitschrift Alzheimer’s & Dementia eine neue Studie veröffentlicht, die bisherige Erkenntnisse über einen Zusammenhang der Parodontitis mit der Alzheimer-Krankheit bestätigt.

„Es ist sehr schwierig, methodisch aussagekräftige Studien zu den Auswirkungen der Parodontitis durchzuführen. Erst neu entwickelte statistische Modelle ermöglichen es, eine kontrollierte klinische Studie nachzubilden, indem verfügbare Daten von behandelten und unbehandelten Probanden kombiniert werden“, erklärt Dr. Christian Schwahn von der Abteilung für Prothetische Zahnheilkunde, Gerodontologie und Biomaterialien. „Erstmals konnte der Zusammenhang zwischen der Behandlung der chronischen Parodontitis und der präklinischen Alzheimer-Erkrankung in einem quasi-experimentellen Modell mit 177 parodontal behandelten Patienten aus der Greifswald Approach to Individualized Medicine (GANI_MED)-Studie und 409 unbehandelten Teilnehmern aus der SHIP-Studie analysiert werden.“

Moderater bis starker Effekt deutlich nachweisbar

Die Parodontitis-Behandlung durch einen auf Zahnfleischerkrankungen spezialisierten Zahnarzt zeigte einen günstigen Effekt auf den Verlust von Hirnsubstanz, der als moderat bis schwer eingeschätzt werden konnte.

„Diese Ergebnisse sind insofern bemerkenswert, als die Parodontitis-Patienten zum Zeitpunkt der MRT-Untersuchung jünger als 60 Jahre waren und zwischen der zahnärztlichen Behandlung und der MRT-Untersuchung im Median 7,3 Jahre lagen“, betonten die Ko-Autoren Prof. Thomas Kocher, Direktor der Klinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie sowie Kinder- und Präventivzahnheilkunde, und Prof. Hans J. Grabe, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Greifswald.

„Unser Ansatz liegt eindeutig in der Vorbeugung und frühzeitigen Behandlung von Zahnfleischerkrankungen, die durch eine Vielzahl von Erregern ausgelöst werden können, um solche möglichen Folgeschäden im Vorfeld zu verhindern“, so Kocher. Eine seit Frühjahr 2019 laufende Studie in den USA (https://clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT03823404) setzt dagegen auf die Erprobung von Medikamenten. Diese sollen bei Probanden über 55 Jahren, die bereits an Alzheimer erkrankt sind, einen Behandlungseffekt erzielen, indem sie die schädlichen Auswirkungen des parodontalen Schlüsselerregers (P. gingivalis) im Gehirn bekämpfen.

„Wir werden uns in diesem Bereich weiterhin auf Beobachtungsstudien verlassen müssen, die einer kontrollierten klinischen Studie nachempfunden sind“, sagt Dr. Christian Schwahn. „Eine klinische Studie mit einer Placebo-Behandlung in einer Patientengruppe, also mit absichtlich zahnärztlich unbehandelten Patienten, ist aus ethischen und medizinischen Gründen nicht durchführbar.“

In Deutschland leiden etwa 11,5 Millionen Menschen an einer schweren Form dieser Volkskrankheit. Damit ist die Parodontitis nach der Karies die zweithäufigste Erkrankung der Mundhöhle.

Schwahn C et al. Effect of periodontal treatment on preclinical Alzheimer’s disease-Results of a trial emulation approach. Alzheimers Dement 2021 ; online 29.05.2021. https://doi.org/10.1002/alz.12378