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05.12.2011·Honorar Wann entfällt der Vergütungsanspruch eines Zahnarztes bei vertragswidrigem Verhalten?

·Honorar

Wann entfällt der Vergütungsanspruch eines Zahnarztes bei vertragswidrigem Verhalten?

von Rechtsanwalt Ralf Lächler, Fachanwalt für Medizinrecht, Dr. Kroll & Partner Rechtsanwälte; Stuttgart, Reutlingen, Balingen, Tübingen

| In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass zahnärztliche Behandlungsverträge nach Dienstvertragsrecht zu beurteilen sind. Die zahntechnischen Leistungen sind hiervon getrennt zu beurteilen und werden weiterhin nach Werkvertragsrecht qualifiziert. In diesem Beitrag wird die aktuelle Rechtslage beim Wegfall des Vergütungsanspruchs eines Zahnarztes im Falle eines vertragswidrigen Verhaltens beleuchtet und Konsequenzen werden aufgezeigt. |

Neue Einordnung des Kündigungsrechts durch BGH-Urteil

Die Rechtsprechung hatte bislang überwiegend bei der Kündigung zahnärztlicher Dienstverträge einen Verlust oder eine Reduktion des Honoraranspruchs des Zahnarztes erwogen, wenn der Patient auf einen wichtigen Grund für seinen Behandlungsabbruch abstellen konnte. Dies konnte zum Beispiel eine grob schuldhafte Pflichtverletzung des Zahnarztes sein (siehe dazu OLG München vom 6. Februar 1997; Az: 1 U 4802/95; Abruf-Nr. 113870 unter www.iww.de). Oder es wurde auf eine Unzumutbarkeit verwiesen, die einer Fortsetzung der Behandlung entgegenstand. Bei gestörter Vertragsbeziehung zwischen (Zahn-)Arzt und Patient und noch nicht vollständig abgeschlossener Behandlung konnte der Patient somit die Kündigung des Behandlungsvertrages erklären.

 

Die Ansprüche auf Rückzahlung von Honorar stützen sich in diesen Fällen auf § 628 Abs. 1 Satz 3 BGB. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift geht es um die Rückzahlung eines im Voraus entrichteten Vergütungsanteils. Der Bundesgerichtshof wendet die Vorschrift allerdings auch auf die Fälle an, bei denen Honorar gezahlt wurde und später zurückgefordert wird. Nach § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB entfällt der Vergütungsanspruch, wenn das Verhalten des Zahnarztes die Kündigung veranlasst hat. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür trifft zunächst den Patienten.

Wann liegt vertragswidriges Verhalten vor?

Strittig war bislang die Frage, welches Ausmaß an vertragswidrigem Verhalten seitens des Zahnarztes vorliegen muss, um einen Kündigungsausspruch des Patienten zu rechtfertigen – mit der Rückforderung von Honorar. Eine Reihe von Gerichten war der Auffassung, dass es sich um grobe schuldhafte Pflichtverletzungen handeln muss. Der Bundesgerichtshof war im Urteil vom 29. März 2011 (Az: IV ZR 133/10; Abruf-Nr. 113871) allerdings anderer Auffassung: In Abweichung zur Vorinstanz – Berufungsentscheidung des OLG Frankfurt vom 22. April 2010 (Az: 22 U 153/08; Abruf-Nr. 101571) – soll es nicht erforderlich sein, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Die Kernaussage lautet:

„Eine solche Beschränkung auf vertragswidriges Verhalten, das dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar macht, ist für Kündigungen eines ärztlichen Behandlungsvertrages, der im Regelfall durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt wird, nicht gerechtfertigt.“

Einschränkungen bei geringfügigen Verstößen

Allerdings nimmt der Bundesgerichtshof Einschränkungen vor. Nicht jeder geringfügige Vertragsverstoß kann hiernach zur Kündigung des Behandlungsvertrages mit Verlust des Vergütungsanspruchs führen. Der BGH stützt diese Einschränkung auf Treu und Glauben nach § 242 BGB. Es würde hiernach einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn auch bei geringen Pflichtverletzungen schwerwiegende Rechtsfolgen – das heißt ein Verlust des Honoraranspruchs – eintreten würden. Ein Maßstab und Differenzierungskriterium ist das vertragswidrige Verhalten, das als Kündigungsgrund angegeben wird. Wenn es sich nur um ein geringfügiges vertragswidriges Verhalten handelt, scheidet eine Honorarrückzahlungspflicht aus.

 

„Nutzloser“ Zahnersatz nur, wenn er nicht mehr getragen wird?

Der 4. Senat weist ergänzend darauf hin, dass die zahnärztlichen Arbeiten auch nicht mehr wirtschaftlich verwertbar sein dürfen. Insofern wird auf den Begriff der „Nutzlosigkeit“ abgestellt. Der 4. Zivilsenat verweist auf eine entsprechende Entscheidung des 3. Senats vom 7. Juni 1994 (Az: III ZR 37/83; Abruf-Nr. 113872) und des 9. Senats vom 17. Oktober 1996 (Az: IX ZR 37/96; Abruf-Nr. 113873). Insofern reicht es gerade nicht aus, wenn die zahnärztliche Leistung zwar objektiv wertlos war, allerdings vom Patienten weiterhin genutzt, das heißt getragen wird (OLG Naumburg vom 13. Dezember 2007; Az: 1 U 10/07; Abruf-Nr. 080367). Weil die Vorinstanz beim OLG Frankfurt diesen Aspekt – die Möglichkeit der Nachbesserungsfähigkeit der Arbeit – nicht geprüft hatte, wurde der Rechtsstreit vom BGH zurückverwiesen.

Die Rechtsfolgen des BGH-Urteils

Auf den ersten Blick hat der 4. Zivilsenat eine recht patientenfreundliche Entscheidung getroffen, indem das Kriterium des vertragswidrigen Verhaltens modifiziert wurde, sodass gerade nicht mehr grobe schuldhafte Pflichtverletzungen des Leistungserbringers vorliegen müssen, um zu einer Kündigung des Behandlungsvertrages mit Honorarrückforderungsrecht zu gelangen. Gleichzeitig hat der 4. Senat allerdings klargestellt, dass eine bestimmte Qualität der Vertragsverletzung vorliegen muss. Als weitere Voraussetzung dürfen die Arbeiten für den Patienten nicht mehr wirtschaftlich verwertbar sein.

 

Nur in diesen Fällen kommt eine Rückforderung von Honorar in Betracht. Wenn der Patient die Arbeit nicht nachbessern lässt, obgleich die Arbeit nachbesserungsfähig ist, führt dies auch künftig nicht zu einem Honorarrückforderungsanspruch. Insofern verbleibt es dabei, dass bei nicht schwerwiegenden Vertragsverletzungen der Hinweis auf das bestehende Nachbesserungsrecht des Zahnarztes weiterhin greift.

 

Auch der Begriff der Zumutbarkeit behält seine Bedeutung. Wenn ein Patient sich nach Eingliederung eines Zahnersatzes weigert, eine zumutbare Nachbesserung seines Zahnersatzes hinzunehmen, schließt dies die erfolgreiche Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen aus.

 

Auch die Neuanfertigung einer Prothese kann zumutbar sein

Nach der Entscheidung des OLG Dresden vom 21. Januar 2008 (Az: 6 U 1940/07; Abruf-Nr. 113874) kann auch die Neuanfertigung einer Prothese als zumutbar bewertet werden. Eine eindeutige Klärung des Begriffs Zumutbarkeit ist bislang nicht erfolgt. Während das OLG Dresden die Zumutbarkeit bis hin zur Neuanfertigung einer Prothetikarbeit annimmt, verlangt das OLG Karlsruhe als Voraussetzung für die gebotene Duldung einer Nachbesserung, dass die Prothetik nachbesserungsfähig ist. Sofern eine Neuanfertigung notwendig wird, bedarf es danach der Mitwirkungspflicht des Patienten nicht (OLG Karlsruhe, Urteil 28. Februar 2007, Az: 7 U 224/06; Abruf-Nr. 072085).

 

Rückzahlung: Prothese unbrauchbar und Nachbesserung nicht möglich

In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin vom 1. Juli 2010 (Az: 20 W 23/10; Abruf-Nr. 103641). Die Rückzahlung von Honorar wird hier in Fällen propagiert, bei denen der Zahnersatz für den Patienten wegen eines Behandlungsfehlers unbrauchbar ist. Als weitere Voraussetzung wird auf eine fehlende Mangelbeseitigungsmöglichkeit verwiesen. Damit wäre im Fall notwendiger Neuanfertigung die Rückzahlung des Honorars angezeigt.

 

Das Kammergericht überlässt dem Patienten bei einer Unbrauchbarkeit der Arbeit auch das Wahlrecht, entweder das geleistete Honorar zurückzufordern oder aber die Kosten der Neuanfertigung geltend zu machen. In der zweiten Variante treten gegebenenfalls durch fehlerhafte Behandlung eventuell verursachte Mehrkosten hinzu (siehe Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. Juli 2004; Az: IV ZR 266/03; Abruf-Nr. 113875).

 

PRAXISHINWEISE I Sofern die Kündigung des Dienstvertrages durch den Patienten auf Mängel zurückgeht, die im Bereich der Zahntechnik angesiedelt sind, sollte gegebenenfalls der Einwand erhoben werden, dass eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht erfolgt ist. Wenn werkvertragliche Elemente tangiert sind, verbleibt es bei den werkvertraglichen Gewährleistungspflichten.

Bei Mängeln der zahnärztlichen Leistung wird auch künftig gestritten werden, ob der Mangel auf einer Pflichtverletzung des Zahnarztes beruht und ob dieser Pflichtverstoß geringfügig ist. Der Einwand einer durch den Patienten verweigerten Nachbesserungsmöglichkeit kann weiterhin erfolgreich in einem Rechtsstreit erhoben werden. Falls der Einwand greift, führt dies zur Abweisung bei Honorarrückzahlungsklagen des Patienten.

Weiterhin Rechtsunsicherheit besteht beim Begriff der Unzumutbarkeit, weitere Nachbesserungsmaßnahmen in Anspruch nehmen zu müssen. Ob die Grenze bei zwei, drei oder fünf Nachbesserungsversuchen anzusiedeln ist, hängt vom Einzelfall ab. Der 4. Zivilsenat spricht von der notwendigen „Abwägung aller Umstände“. Ein Zahnarzt sollte daher abwägen, ob und ab wann er eine (weitere) Nachbesserung ablehnt, und nicht voreilig und einseitig die Behandlung abbrechen.