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22.12.2017·Implantologie Internationaler Periimplantitis-Workshop ‒ neue Daten und eine neue Definition

·Implantologie

Internationaler Periimplantitis-Workshop ‒ neue Daten und eine neue Definition

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter des ZR ZahnmedizinReport, Berlin

| Die Resultate aktueller Studien und eines internationalen Workshops vermitteln eine neue Definition der Parodontitis und der Periimplantitis. Sie legen neue Schwerpunkte bei Prävention, Diagnostik und Therapie. |

Das Weichgewebe im Vordergrund

Was ist eine Periimplantitis? Die neue Definition steht seit Anfang November 2017 fest. Bei einem internationalen Workshop in Chicago definierten internationale Experten, dass es sich „um einen pathologischen Prozess in den Geweben um Zahnimplantate handelt, geprägt von einer Entzündung des Weichgewebes und fortschreitendem Knochenabbau“. Der Knochenabbau grenzt die Periimplantitis von einer Mukositis ab, bei der das Gewebe zwar blutet, sich aber kein Verlust des marginalen Knochens zeigt.

 

Künftig soll man weltweit die Diagnostik der Periimplantitis im Weichgewebe angehen. Das ist einer der Kernsätze des Experten-Meetings. Die Ergebnisse sind derzeit noch unveröffentlicht. Sie werden im Laufe dieses Jahres in den Fachjournalen „Clinical Periodontology“ und „Periodontology“ erscheinen. [1] Das Weichgewebe wird als Thema stärker in den Blickpunkt rücken. Deshalb plant die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) auch im nächsten Jahr eine Leitlinie zum Weichgewebemanagement.

Entzündung + Knochenverlust = Periimplantitis

Im Vordergrund der Diagnostik und Definition der Periimplantitis sollen nicht mehr Schwellenwerte ‒ wie z. B. eine gewisse Sondierungstiefe oder ein Attachmentverlust ‒ stehen. Einigkeit besteht unter den Experten inzwischen, dass bei der zahnärztlichen Untersuchung die Sondierung erforderlich ist, um eine Entzündung zu diagnostizieren. Verändern sich die Parameter oder liegt eine Inflammation vor, dann soll auf jeden Fall am Röntgenbild abgeklärt werden, ob ein Knochenverlust vorliegt.

 

Für Dr. Jan Derks von der Universität Göteborg ist die Diskussion über Schwellenwerte damit beendet: „Die unterschiedlichen Daten hatten mit den jeweils verwendeten Schwellenwerten für den Knochenverlust zu tun“, erklärt Derks. Weiterhin meint er: „Wir brauchen solche Schwellenwerte nur zu Forschungszwecken, klinisch ist ein solcher Wert von geringer Bedeutung. Notiert der Kliniker Entzündungszeichen und stellt er darüber hinaus einen Knochenverlust fest, dann sollte die Diagnose ‚Periimplantitis‘ lauten. Das Entscheidende ist letztendlich die adäquate Therapie.“ Für Derks ist daher die ‒ eher akademische ‒ Unterscheidung zur entzündlichen Mukositis nicht mehr so wichtig. Behandelt werden müssen beide Erscheinungsformen ohnehin gleich.

Die Hälfte der Patienten bekommt schnell eine Periimplantitis

Derks und seine schwedischen Kollegen hatten bereits 2015 eine aufsehenerregende Studie mit mehr als 500 Patienten publiziert, die nach dem Zufallsprinzip aus einem großen Datenregister ausgewählt und neun Jahre nach der Implantatbehandlung erneut untersucht wurden. Die Forscher stellten bei ihren Untersuchungen auch fest, dass die ersten Anzeichen einer Periimplantitis bei der Mehrzahl der betroffenen Patienten schon in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Therapie auftraten. Das Ergebnis ihrer Studie:

 

Bei 45 Prozent wurden Entzündungszeichen und Knochenverlust von mehr als einem halben Millimeter notiert. Bei 14,5 Prozent der Patienten stellten die Wissenschaftler eine mittelschwere bis schwere Periimplantitis fest, definiert als Weichgewebeentzündung und Knochenverlust von mehr als zwei Millimetern. Knapp ein Drittel (32 Prozent) hatte eine Schleimhautentzündung ohne Knochenverlust (Mukositis). Nur bei 23 Prozent der Patienten war das periimplantäre Gewebe gesund. [2] [3]

Risikofaktoren ‒ die üblichen Verdächtigen

Prof. Frank Schwarz (Uni Düsseldorf) und Dr. Jan Derks gehören zu einem Autorenteam, das mögliche Risikofaktoren einer Periimplantitis untersucht hat. Wie sie demnächst im „Journal of Periodontology“ schreiben, gibt es starke Hinweise, dass eine der Implantattherapie vorausgegangene Parodontitis ein starker Risikofaktor ist. Auch eine schlechte Mundhygiene und das Fehlen einer regelmäßigen Nachsorge sind Risikofaktoren. [4] Widersprüchlich ist die Datenlage, ob Rauchen oder Diabetes Risikofaktoren sind. In einer Untersuchung der RWTH Aachen zeigte sich auch an klinisch gesunden Implantaten, die erst seit Kurzem in Funktion sind, bei Rauchern eine signifikante, etwa 5,2-fach erhöhte Gesamtbakterienzahl im periimplantären Sulkusfluid. Weniger starke Risikofaktoren für erhöhten Bakterienbefall (Geschlecht, Zahnregion, Parodontitis-Vorgeschichte) müssen in Studien getestet werden. [5]

Prophylaxe ist entscheidend wichtig

Sicher ist also, dass eine gute Mundhygiene und regelmäßige Kontrolluntersuchungen einer Periimplantitis vorbeugen können. „Ein Zahnimplantat muss mindestens so gut gepflegt werden wie die natürlichen Zähne“, erklärt Prof. Schwarz, „und bei den ersten Anzeichen einer Schleimhautentzündung muss die Behandlung einsetzen, da die Mukositis gut behandelbar ist.“ Die schwedischen Experten empfehlen wie ihre deutschen Kollegen eine individuelle Prophylaxe. „Bei manchen Patienten ist einmal im Jahr ausreichend, manche Risikopatienten haben bis zu vier Termine im Jahr für die Kontrolle.“ [4]

Verschiedene Konzepte für die Therapie in der Diskussion

Vieles wurde in der Literatur über die Behandlung von Periimplantitis geschrieben. Obwohl ein vorhersagbarer, wirksamer Goldstandard unter den Behandlungsmethoden noch nicht vereinbart ist, besteht Konsens darüber, dass eine effektive Oberflächendekontamination eine wichtige Voraussetzung ist.

 

Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Rolle der angerauten Implantatoberflächen. Sie sollen die Einheilung begünstigen, erschweren aber gleichzeitig die vollständige Elimination der Infektion: Die Mikrostrukturen der Oberfläche haben nach der Freilegung eine höhere Affinität zur Bildung von Biofilmen, die robust und hartnäckig sowie schwer zu entfernen sind.

 

Ist der Kieferknochen erst einmal betroffen, sind die nicht chirurgischen Möglichkeiten der Therapie oft begrenzt. Darin sind sich die Experten einig. Noch keinen Konsens gibt es indes über die Form der chirurgischen Behandlung. Dabei verfolgen die führenden europäischen Zentren teilweise unterschiedliche Konzepte. Auf dem DGI-Kongress stellte Dr. Frank Zastrow, Zahnarzt und Oralchirurg aus Wiesloch, an einem Patientenfall ein Protokoll vor, mit dem auch größere periimplantäre Knochendefekte sicher rekonstruiert und mit einer festsitzenden implantatprothetischen Restauration langfristig ästhetisch und funktionell versorgt werden können. Aufgrund der guten Ergebnisse kann die Implantation nach vorangegangenem Verlust eines Implantats aufgrund einer Periimplantitis durchaus in Erwägung gezogen werden. [6]

Praxisfall zu einer ausgeprägten Periimplantitis

Bei einer 45-jährigen Patientin war die chirurgisch-augmentative Rehabilitation und adäquate prothetische Versorgung im Seitenzahnbereich nach starkem Knochenverlust im Rahmen einer Periimplantitis geplant. Die Patientin hatte sich in der Praxis Dr. Zastrow mit einer ausgeprägten Periimplantitis regio 13 bis 17 vorgestellt. Sie wünschte eine umfassende ästhetische Rehabilitation und die Beseitigung der parodontalen und periimplantären Entzündungen.

 

Nach Explantation der nicht erhaltungswürdigen Implantate regio 13 bis 17 erfolgte der Wiederaufbau mittels retromolar entnommener Knochenschalen einschließlich Auffüllen des Defekts mit partikulierten autologen Knochenspänen. Nach Verknöcherung des augmentierten Bereichs wurden regio 13 bis 17 drei ANKYLOS C/X®-Implantate inseriert, die in drei Monaten geschlossen einheilten. Nach erfolgreicher Osseointegration wurden die Implantate mittels eines apikalen Verschiebelappens freigelegt und mit keramisch verblendeten und okklusal verschraubten sowie verblockten Kronen von ATLANTIS ISUS® aus Kobalt Chrom versorgt. [6]


 

Quellen

  • [1] 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases. Chicago, 09.‒11.11.2017.
  • [2] Derks J et al. Peri-implant health and disease. A systematic review of current epidemiology. J Clin Periodontol. 2015 Apr; 42 Suppl 16: S 158-171.
  • [3] Derks J et al. Peri-implantitis ‒ onset and pattern of progression. J Clin Periodontol. 2016 Apr;43 (4): 383-388.
  • [4] Fachpressekonferenz zum 31. DGI-Kongress. Düsseldorf, 30.11. bis 02.12.2017.
  • [5] Teichman M. Einzelzahnimplantate mit Lithium-Disilikat-Suprakonstruktionen: Risikofaktoren für den bakteriellen Befall nach 1 Jahr in Funktion. 31. DGI-Kongress. Düsseldorf, 30.11.‒02.12.2017.
  • [6] Zastrow F. Neuimplantation nach Implantatverlust durch Periimplantitis – ein Konzept zur Rehabilitation zahnloser Kieferabschnitte. 31. DGI-Kongress, 30.11.‒02.12.2017.