30.07.2010 |Konsensuskonferenz Indikationsklassen zur Implantattherapie: Wie viele Implantate im Regelfall zulässig sind
30.07.2010 |Konsensuskonferenz
Indikationsklassen zur Implantattherapie: Wie viele Implantate im Regelfall zulässig sind
Die Indikationsklassen wurden erstmals 1973 vom Vorsitzenden des Berufsverbandes der niedergelassenen implantologisch tätigen Zahnärzte (BDIZ), Prof. h.c. Egon Brinkmann, aufgestellt. Danach wurden sie 1997 und 2002 überarbeitet. Die Neubeschreibung von 2002 wurde aufgrund unterschiedlicher neuer Verfahren, Implantate, Implantatoberflächen sowie Implantatmaterialien erforderlich.
Der BDIZ hat die Indikationsklassen für Regelfall-Versorgungen in der Implantologie am 17. September 2008 neu beschrieben. Sie dienen Zahnärzten, Gutachtern und Kostenerstattern als Richtschnur bei der Beurteilung von Therapieplänen, Rechnungen und Begutachtungen. Die Neubeschreibung wurde den weiteren Berufsverbänden und Fachgesellschaften, die sich unter dem Dach der Konsensuskonferenz Implantologie in Deutschland vereinigen, zur Übernahme empfohlen. Es handelt sich dabei um Empfehlungen, nicht um gesetzliche Vorschriften. Allerdings wurde diese Empfehlung von den anderen Mitgliedern der Konsensuskonferenz nicht angenommen, sodass zwei unterschiedliche Empfehlungen vorliegen.
Der Konsensuskonferenz gehören die folgenden Mitglieder an:
Bundesverband der niedergelassenen implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa (BDIZ EDI) |
Berufsverband der Oralchirurgen (BDO) |
Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG) |
Deutsche Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich (DGI) |
Deutsche Gesellschaft für zahnärztliche Implantologie (DGZI) |
AG für Kieferchirurgie (Assoziiertes Mitglied ohne Stimmrecht in der Konsensuskonferenz) |
Die Regelfall-Versorgung
Die Mehrzahl der Implantattherapien fällt unter die Regelfall-Versorgung. Es können aber auch Ausnahmen entstehen, die eine Erhöhung der Implantatzahlen zur Folge haben. Sie richten sich nach der medizinischen Indikation sowie den örtlichen und allgemeinen Gegebenheiten des Patienten. In den Indikationsbeschreibungen sind Empfehlungen zur Mindestanzahl von Implantaten angegeben.
Die definitive Anzahl der Implantate richtet sich jedoch stets nach der jeweiligen individuellen Situation – wie zum Beispiel: (strategische) Positioniermöglichkeiten der Implantate, prothetisch sinnvolle Zielsetzung, Belastbarkeit der knöchernen Verhältnisse, geringe Kieferkammhöhe, interokklusale Interferenzen, augmentierte Bereiche, spezielle Berufe wie Blasmusiker und Schauspieler, extremer Würgereiz, psychogene Faktoren bei starkem Leidensdruck (durch herausnehmbaren/schlecht sitzenden Zahnersatz) oder die Art der zu verwendenden Implantate (Abhängigkeit von Länge, Oberfläche, Durchmesser und Form). Aus diesem Grunde obliegt die endgültige Entscheidung einer begründeten nachvollziehbaren Implantatzahl dem behandelnden Zahnarzt in Absprache mit dem Patienten. Die Indikationsklassen stellen keine feste Vorgabe dar, sondern sind als Behandlungsempfehlung für den „Normalfall“ in den jeweiligen Klassen anzusehen.
Die Indikationsklassen vom BDIZ EDI
Die optimale Therapie des Zahnverlustes ist der Ersatz jedes einzelnen Zahnes durch ein Implantat. Dabei ist der Zahn 8 eines Quadranten in der Regel nicht zu ersetzen. Da die optimale Therapie insbesondere aus anatomischen, aber auch aus finanziellen Gründen nicht immer durchgeführt werden kann, wurden die nachfolgenden Empfehlungen für Regelfall-Versorgungen aufgestellt:
Klasse I |
|
Klasse Ia |
|
Klasse Ib |
|
Klasse II |
|
Klasse IIa |
|
Klasse III |
|
Erläuterungen zu einzelnen Indikationsklassen
Klasse I – Einzelzahnersatz: Der Begriff „Einzelzahnersatz“ beinhaltet nicht, dass nur ein Zahn verloren gegangen bzw. nur ein Implantat indiziert ist. Er setzt keine „Einzelzahnlücke“ voraus, sondern geht grundsätzlich davon aus, dass jeder verlorene Zahn, dort wo es anatomisch möglich ist, durch ein Implantat ersetzt wird. Aufgrund anatomischer Gegebenheiten ist der Einsatz von Implantaten in der UK-Front gegebenenfalls reduziert zur OK-Front.
Klasse Ib – Seitenzahnersatz: Den zunehmenden Belastungsverhältnissen in der Nähe des Kauzentrums wird beim Zahnverlust im Seitenzahnbereich auch durch den Ersatz eines jeden fehlenden Zahnes durch je ein Implantat Rechnung getragen. Als weitere Voraussetzung wird von nicht behandlungsbedürftigen lückenangrenzenden Nachbarzähnen ausgegangen. In diesem Zusammenhang steht der funktionelle Zustand der klinischen Intaktheit der Nachbarzähne im Vordergrund, nicht der einer klinischen Unversehrtheit.
Klasse II – Reduzierter Restzahnbestand und Freiendlücke: Die Indikationsklasse „Reduzierter Restzahnbestand“ umfasst eine Vielzahl an Verteilungsmöglichkeiten der Restzähne. Enthalten ist zum Beispiel die ein- und beidseitige Freiendsituation, die in einer eigenen Indikationsklasse IIa ihre Berücksichtigung findet und unter funktionellen Aspekten je nach Anzahl der verloren gegangenen Zähne eine verschieden hohe Anzahl an Implantaten bedingt.
Die Indikationsklasse II beinhaltet aber auch die Grenzfälle der prothetischen Therapiemöglichkeiten des „stark reduzierten“ Restzahngebisses mit ungünstiger Restzahnverteilung in triangulärer, tangentialer, sekanten- oder punktförmiger Verteilungsform, in denen eine Implantatinsertion an statisch günstiger Position für die prothetische Abstützung und die langfristigen Auswirkungen auf Zahnbestand und Gewebe große Vorteile erbringt. Die ein- und beidseitige Freiendlücke wird unter Berücksichtigung funktioneller Aspekte, je nach Anzahl der verloren gegangenen Zähne und vorhandener Gegenbezahnung, unterschiedlich zu beurteilen sein. Das Ausmaß des verlorenen Zahnbestandes bedingt eine verschieden hohe Anzahl von Implantaten an medizinisch und strategisch begründeten Insertions-Orten.
Klasse III – Zahnloser Kiefer: Die Indikationsklassen für die implantologische Versorgung sowohl des zahnlosen Unter- als auch des Oberkiefers werden differenziert nach der prothetischen Zielsetzung für einen festsitzenden oder einen herausnehmbaren Zahnersatz. Diese Differenzierung ist darin begründet, dass es Situationen geben kann, in denen der implantatverankerte herausnehmbare Zahnersatz – zum Beispiel eine (nahezu) vollständige und intakte Gegenbezahnung im Unterkiefer – eine festsitzende Versorgung im zahnlosen Oberkiefer begründen. Die unterschiedlich hohe Anzahl empfohlener Implantate für den Unter- bzw. Oberkiefer liegt darin begründet, dass im zahnlosen Unterkiefer einzelne Parameter wie Implantatlänge und -durchmesser sowie die Implantatanzahl einen größeren Einfluss auf die Verweilwahrscheinlichkeit haben, weil die lokale Knochenstruktur meist eine reduzierte Knochenqualität aufweist.
Die Indikationsklassen von DGMKG, BDO, DGI und DGZI
Die optimale Therapie des Zahnverlustes ist der Ersatz jedes einzelnen Zahnes durch ein Implantat. Dabei ist der Zahn 8 eines Quadranten in der Regel nicht zu ersetzen. Da wie bereits erläutert die optimale Therapie aus verschiedensten Gründen nicht immer durchgeführt werden kann, wurden die folgenden Empfehlungen für Regelfall-Versorgungen aufgestellt:
Klasse I Frontzähne |
|
Klasse I a Frontzahn-ersatz |
|
Klasse II Reduzierter Restzahn-bestand und Freiendlücke |
|
Klasse IIa Freiendlücke |
|
Klasse III Zahnloser Kiefer |
|
In Abhängigkeit von anatomischen und prothetischen Gegebenheiten kann im individuellen Fall eine von der oben beschriebenen Anzahl von Implantaten abweichende Versorgung indiziert sein.
Eine Übersicht zu den Indikationsklassen enthält der Online-Service (www.iww.de; in „myIWW“ einloggen) in der Rubrik „Recht“.