Recht

Muss die ärztliche Leitung eines MVZ an der Hauptbetriebsstätte tätig sein?

Zum Ort der Tätigkeit der ärztlichen Leitung eines MVZ existieren bislang weder eine gesetzliche Regelung noch Rechtsprechungsvorgaben. Der Tätigkeitsort kann daher auch eine Nebenbetriebsstätte des MVZ sein, sofern der Gesamtverantwortung im Einzelfall dadurch hinreichend Rechnung getragen wird.

Die ärztliche Leitung eines MVZ muss stets faktisch in der Lage sein, von ihrem jeweiligen Standort aus die vollständige und umfassende Kontrolle und Steuerung des MVZ wahrzunehmen. Zu diesen Funktionen gehören zum Beispiel die Steuerung des MVZ hinsichtlich des Personaleinsatzes, die medizinische Ausrichtung der Abrechnung, die sachlich und rechnerische Abrechnung in der Form der Dokumentation durch Unterschrift der Ärztlichen Leitung, die Einhaltung der Teilnahme des MVZ am Notdienst und die Einteilung der Ärztinnen und Ärzte hierfür, die Prüfung, ob die im MVZ angestellten Ärztinnen und Ärzte ihren vertragsärztlichen Verpflichtungen nachkommen und ob die Abrechnungsgenehmigungen für die von den angestellten Ärztinnen und Ärzten erbrachten Leistungen vorliegen und ob die Vertretung abwesender Ärztinnen und Ärzte den rechtlichen Bedingungen entsprechend erfolgt, die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei den ärztlichen Behandlungen einschließlich der Verordnung von Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln sowie Sprechstundenbedarf, die Einhaltung von Qualitätssicherungs-, Hygiene- und weiteren Vorschriften sowie die Sicherstellung der Nicht-Einflussnahme Dritter in die ärztliche Behandlung.

Diesen umfangreichen Aufgabenkatalog können ärztliche Leiterinnen und Leiter nur dann ausüben, wenn funktional hierfür die Möglichkeit besteht. Dies setzt voraus, dass die jeweilige Person, der die ärztliche Leitung übertragen wurde, jederzeit kurzfristig die persönliche Anwesenheit auch in der Hauptbetriebsstätte gewährleisten kann.

Dies ist regelmäßig der Fall, wenn zwischen Nebenbetriebs- und Hauptbetriebsstätte eine Distanz liegt, die in weniger als 30 Minuten zu überbrücken ist. Die vom Gericht als Maßstab gewählte Zeitspanne orientiert sich bewusst an der vom BSG für die Erreichbarkeit ausgelagerter Praxisräume angenommenen Zeitspanne.

Sozialgericht Marburg, 03.05.2023 – S 17 KA 642/22
Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht