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29.02.2012·Zahnmedizin Weichgewebsmanagement bei Implantatrehabilitation, Teil 1: Einsatz porciner Kollagenmatrix

·Zahnmedizin

Weichgewebsmanagement bei Implantatrehabilitation, Teil 1: Einsatz porciner Kollagenmatrix

von Dres. Ulrich Konter, Imke Konter, Stefan Kanehl und Tim Joda, Hamburg

| Die Transplantation autologer Gingiva vom Gaumen ist ein evidenzbasiertes Verfahren zur Schaffung keratinisierten fixierten Weichgewebes um Zähne und Implantate. Zur Vermeidung postoperativer Beschwerden durch die Gaumenwunde hat sich der Einsatz einer porcinen Kollagenmembran als Alternative zum autologen Transplantat in vielen Fällen bewährt. Die klinischen Erfolgsraten für die Transplantation von Weichgewebe zeigen gute Resultate für die operativen Techniken. Im folgenden Fallbeispiel wird das Vorgehen dargestellt. Im zweiten Teil gehen wir auf die Vor- und Nachteile ein. |

Der Fall

Die Patientin ist 57 Jahre alt, allgemeinmedizinisch gesund, Raucherin, keine Medikation. Nach erfolgreicher implantatgetragener festsitzender Versorgung der OK-Seitenzahnbereiche fragte sie nach einer Implantatbehandlung für die UK-Freiendsituationen beidseits. Es bestand eine Atrophie der Klasse V mit transversaler und vertikaler Kammatrophie durch fehlende Zähne seit zehn Jahren. Die präoperative Röntgendiagnostik umfasste ein Orthopantomogramm sowie ein Dental-CT. Die Auswertung der radiologischen Befunde stellte das Erfordernis für ein zweischrittiges Vorgehen dar.

Die Ausgangssituation

Im linken UK fiel bei der klinischen Untersuchung die ungünstige Weichgewebsmorphologie mit deutlich eingeengtem Vestibulum, relativer Verschiebung der mukogingivalen Grenzlinie nach krestal und einem nur geringen Band keratinisierter Gingiva auf. Zudem wiesen die mesial benachbarten Zähne Rezessionen auf und beim Anspannen der Lippe imponierte ein hoch einstrahlendes Wangenbändchen. Es lag ein dünner Gingiva-Biotyp vor. Weil die Patientin als Raucherin ein erhöhtes Risiko für Wundheilungsstörungen aufwies, wurde die Indikation zur Korrektur der mukogingivalen Situation vor Augmentation gestellt. Da im Oberkiefer bereits freie Schleimhauttransplantate zur Stabilisierung der periimplantären Weichgewebssituation zum Einsatz gekommen waren, war die Patientin sehr an Alternativen interessiert, da sie die postoperative Morbidität am Gaumen abschätzen konnte.

Die chirurgische Therapie

Es erfolgte in Analgosedierung und Lokalanästhesie eine Vestibulumplastik im linken UK regio 33 bis 37. Die Schnittführung wurde bogenförmig in der befestigten keratinisierten Gingiva etwa 0,5 mm oberhalb der Mukogingivalgrenze durchgeführt. Unter Schonung der Integrität des Periosts erfolgte die Abpräparation der Alveolarmukosa und der hochinserierenden Muskelfasern als Spaltlappen. Ausläufer des Nervus mentalis wurden sorgfältig geschont.

 

Nach Präparation wurde der Spaltlappen apikal fixiert, sodass eine ausreichende Tiefe des Vestibulums vorlag. Die Fixation der abpräparierten Mukosa erfolgte mit horizontalen Matratzennähten am Periost. Durch Lage der Schnittführung innerhalb der keratinisierten Gingiva kam der 0,5 mm dicke Rand in der Tiefe des Vestibulums zu liegen. Es verblieb ein spindelförmiges Areal freiliegenden Periosts, das nun mit der Mucograft®-Kollagenmatrix abzudecken war. Dazu wurde ein Schnittmuster aus sterilem Vliespapier erstellt, das den Ausmaßen des zu deckenden Areals entsprach. Mit einer Fadenschere wurde die Mucograft®-Matrix dem Bedarf entsprechend ausgeschnitten.

 

Nach sorgfältiger Trockenlegung des OP-Gebiets wurde die Matrix mit der festen Seite nach oben und der weichen, schwammartig klebenden Seite nach unten auf das Periost gelegt, sodass Schnittrand und Mucograft® auf Stoß zu liegen kamen. Mit monofilen Prolenefäden erfolgte die Transplantatfixation an der keratinisierten Gingiva. Zur zusätzlichen Fixation des xenogenen Transplantats wurden kreuzförmige Überknüpfnähte mit Vicryl durchgeführt.

 

Unauffälliger postoperativer Wundheilungsverlauf

Schon bei der ersten Wundkontrolle nach zwei Tagen ließ sich die beginnende Gefäßerschließung des Transplantats ahnen. Die Patientin war sehr angetan von den geringen Wundbeschwerden im Vergleich zum klassischen Vorgehen im Oberkiefer mit Verwendung eines autologen Gingivatransplantats vom Gaumen. Nach 14 Tagen wurden die Fäden entfernt. Zu diesem Zeitpunkt war die Mucograft®-Kollagenmatrix bereits vollständig revaskularisiert. Nach drei Wochen war die Restschwellung abgeklungen und die Oberfläche der Transplantaregion geglättet. Es ließ sich eine deutliche Reduktion des präoperativ bestehenden Muskel- und Bändchenzuges feststellen. Zusätzlich fand sich eine Verbreiterung der keratinisierten Gingiva um etwa 3 mm.

 

Knochenaufbau mit retromolarem Knochen und Bio-Oss

Drei Monate nach der Vestibulumplastik erfolgte der Knochenaufbau mit retromolarem Knochen und Bio-Oss. Hierzu wurde eine krestale Schnittführung mit vertikaler Entlastung am mesialen Line-Angle des endständigen Zahns 34 angelegt. Die Abpräparation erfolgte jetzt als Mukoperiostlappen, sodass die Mucograft® auch von der Periostseite beurteilt werden konnte. Hier fiel die Homogenität und gute Vaskularität der Kollagenmatrix auf. Nach der vollschichtigen Lappenpräparation erfolgte das Einbringen des partikulären Augmentats mit Bio-Oss® gemischt mit gemahlenem retromolaren Knochen und Fixation mit Fibrinkleber und Bio-Gide®.

 

Anschließend wurde nach Periostschlitzung der Wundverschluss durchgeführt. Hierbei zeigte sich der Vorteil der präaugmentativen Verbreiterung der keratinisierten Gingiva durch die Mucograft®. Alle horizontalen Matratzennähte und alternierenden Einzelknopfnähten lagen in fixierter Gingiva. Dies erleichterte die sichere Adaptation der Wundränder im Augmentationsbereich. Der Heilungsverlauf war unauffällig, nach einer Woche wurden die Einzelknopfnähte, nach zwei Wochen die horizontalen Matratzennähte entfernt. Das Indikationsspektrum freier Gingivatransplantate ist im Bereich der Verbreiterung befestigter keratinisierter Weichgewebe zu sehen. Limitationen im Indikationsbereich im Vergleich zu autologen Transplantaten liegen nicht vor.

 

Bei der alternativen Verwendung von Mucograft® zur Verbreiterung der befestigten Gingiva ist darauf zu achten, dass das porcine Transplantat von ortsständigem Weichgewebe mit Keratinisierungsgrad umgeben ist. Demzufolge sollte bei der Wahl der Inzision und der Präparationstechnik ein schmales Band von ≥ 2 mm keratinisierter Gingiva erhalten bleiben. In gleicher Weise wie bei autologen Transplantaten ist auf eine ausreichende Blutversorgung von basal zu achten. Aus diesem Grund bietet sich zur Apikalisierung ein scharf präparierter Mukosalappen mit periostalem Lager an. Einstrahlende Muskelzüge, Frenula und supraperiostal verbliebenes Bindegewebe im Bereich der Empfängerregion sollten vor der Transplantation entfernt werden.

 

Passgenauer Zuschnitt der 3-D-Kollagenmatrix

Nachdem das Empfängerbett präpariert ist, muss die 3-D-Kollagenmatrix passgenau für den zu augmentierenden Bereich zugeschnitten werden, da es anders als ein autologes Transplantat nicht gedehnt und gestreckt werden kann. Das Zuschneiden und die Applikation der Matrix sollten im trockenen Zustand erfolgen, da diese sehr feuchtigkeitsempfindlich ist. Es empfiehlt sich die Verwendung einer individualisierten sterilen Schablone, die bis zur exakten Formgebung mehrfach am Patienten anprobiert werden kann, ohne dass das eigentliche Transplantat vorher in Kontakt mit dem Op-Gebiet kommt.

 

Zur sicheren Fixation des offen einheilenden Mucograft®-Transplantats habensich Einzelknopfnähte im Bereich der Wundränder bewährt. Zusätzlich können auch gekreuzte Überknüpfnähte mit apikaler Periostfixierung zur Lagestabilität des Transplantats eingesetzt werden. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist eine bewegungsfreie und sichere Position der Kollagenmatrix. Mechanische Mundhygienemaßnahmen im Op-Gebiet sollten daher für die Dauer der Nahtversorgung vermieden werden. Für diesen Zeitraum ist die chemische Biofilmkontrolle mit einer chlorhexidinhaltigen Mundspüllösung 0,2 % dreimal täglich indiziert. Die Nahtentfernung erfolgt nach 14 Tagen.

 

Verwendung eines freien Gingivatransplantats das Mittel der Wahl

Medizinische Limitationen im Umgang mit der xenogenen Matrix ergeben sich nur aus dem minimal modifizierten Op-Protokoll bei der Präparation des Empfängerbetts. Wenn keine keratinisierte Gingiva in der Empfängerregion vorhanden ist, stellt die Verwendung eines freien Gingivatransplantats nach wie vor das Mittel der Wahl dar. Der Zeitpunkt für die Schaffung keratinisierter Mukosa an Implantaten muss auf die Patientensituation angepasst sein.Nicht selten müssen im Zuge umfassender implantologischer Rehabilitationen während der präprothetischen Behandlungsphase hoffnungslose Zähne extrahiert werden. Zahnverlust führt aufgrund der Atrophie des Alveolarfortsatzes und des Rückganges befestigter oraler Mukosa häufig zu komplexen Defektmorphologien. Dann ist für eine prothetisch-orientierte Implantatinsertion ein zweizeitiger Ansatz mit vorangehender Knochenaugmentation indiziert.

 

Während der Heilungsphase entstehen durch die ossäre Volumenzunahme im Bereich der Wundränder Spannungen mit einem erhöhten Risiko von Dehiszenzen und Augmentationsexposition. Eine präaugmentative Verbreiterung und Verdickung der befestigten Weichgewebe in quantitativer und qualitativer Weise kann dieses Expositionsrisiko minimieren.