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01.04.2016·Auskunftsanspruch Muss der Versicherer die Identität eines Gutachters preisgeben?

·Auskunftsanspruch

Muss der Versicherer die Identität eines Gutachters preisgeben?

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Norman Langhoff, Berlin

| Das Verhältnis zwischen privat Versicherten und ihrem Versicherer ist durch ein strukturelles Ungleichgewicht gekennzeichnet. Informationsansprüche gegen die Versicherung haben daher eine besondere Bedeutung. |

 

Identität des Gutachters vom Auskunftsrecht erfasst

Nach § 202 Abs. 1 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist „der Versicherer […] verpflichtet, auf Verlangen des Versicherungsnehmers […] Auskunft über und Einsicht in Gutachten oder Stellungnahmen zu geben, die er bei der Prüfung seiner Leistungspflicht über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung eingeholt hat.“ Dass der Gutachter namentlich genannt werden muss, ist – jedenfalls wörtlich – zwar nicht erwähnt. Dennoch ist ein Anspruch auf Auskunft über die Identität des Gutachters in der Rechtsprechung anerkannt.

 

Zum einen wird dies bereits aus der Formulierung „Auskunft über“ abgeleitet, was auch die Benennung des herangezogenen Sachverständigen erfasst (AG Mannheim, Urteil vom 8. Oktober 1998, Az. 9 C 3454/98). Außerdem erfordert es ein am Sinn und Zweck dieser Vorschrift orientiertes Verständnis, die Identität des Gutachters mit zu erfassen. Denn die Regelung in § 202 VVG dient nicht nur der Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Versicherungsnehmers, sondern soll auch dazu dienen, Waffengleichheit zwischen Versicherer und Versichertem herzustellen.

 

Außerdem besteht zwischen dem Inhalt eines Gutachtens und dessen Verfasser ein enger Zusammenhang. Das AG Mannheim hat die Bedeutung der namentlichen Kenntnis des Verfassers für den Versicherungsnehmer betont: „Soweit der Versicherer einen sachkundigen Berater zur Beurteilung der Sachlage herangezogen hat, sollte dessen Urteil die Auseinandersetzung mit etwaigen Gegenargumenten des Versicherungsnehmers nicht scheuen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es im Übrigen auch sachgerecht, dass der Name und ggf. die fachliche Qualifikation des Beraters offenzulegen sind“.

 

BGH: Gutachter muss unbefangen und fachlich geeignet sein

Auch der Bundesgerichtshof leitet die Pflicht, den Namen des Gutachters mitzuteilen, mit etwas anderer Akzentuierung aus dem Zweck des Auskunftsanspruchs ab: „Der Versicherer holt das Gutachten ein, um sich in einer Zweifelsfrage Gewissheit zu verschaffen. Dazu bedarf es eines unbefangenen und fachlich geeigneten Sachverständigen. Fehlt es daran, kann das Gutachten seinen Zweck nicht erfüllen. Unter diesem Gesichtspunkt macht es keinen Sinn, wenn der Versicherer die Identität des Sachverständigen geheim halten möchte“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Juni 2003, Az. IV ZR 418/02, Abruf-Nr. 031610). Festzuhalten ist jedoch, dass Auskünfte und die Einsicht in das Gutachten nur gegenüber dem Versicherer geltend gemacht werden können. Der Gutachter muss dem Versicherten selbst keine Auskünfte erteilen.