Praxisführung

Bis dass der Tod uns scheidet

Die Praxis läuft glänzend. Die Umsätze sind stabil, neue Patienten kommen. Kein Grund, sich um die Zukunft Sorgen zu machen. Wenn der Ehepartner dann nicht plötzlich andere Pläne hätte. Aus dem „Bis dass der Tod uns scheidet“ wird eines Tages von heute auf morgen ein „Tschüss, ich bin dann mal weg, Schatz“. Mr. Asset Protection Holger Nentwig, Experte für Vermögenssicherung in Zahnarztpraxen, erläutert, welche weitreichenden Folgen ungeregelte Trennungen von Partner und Teilhaber für die Zukunft der Praxis haben können.

von Holger B. Nentwig
Finanzberater für Freie Berufe und Selbständige – www.gfmsnentwig.de

Es war die große Liebe und eigentlich sollte sie für immer und ewig sein. Vor 25 Jahren haben sich Dr. Blauauge und seine Gattin getraut, Dr. Blauauge hat sich kurz vorher niedergelassen mit seiner Praxis. Er hat zwei minderjährige Kinder, sein Betrieb hat sich prächtig entwickelt über die Jahre. Zu einem Zeitpunkt, wo man anfangen könnte, das alles wirklich zu genießen und darüber nachzudenken, was der Ruhestand auch für das gemeinsame Leben zu zweit noch alles bringen kann, hat seine Frau andere Pläne – und eröffnet ihm am Frühstückstisch, dass sie ab sofort lieber ihr eigenes Leben lebt – und zwar ohne ihn, und bis auf weiteres mit ihrem Tanzlehrer als Lebensabschnittsgefährten. Das hat Dr. Blauauge nicht kommen sehen, es war doch alles in Ordnung in der Ehe! Erschüttert von der Ankündigung seiner Frau, ruft er einen Freund an, um sich mit ihm auf ein Bier zu treffen. Der Freund ruft noch ins Telefon: „Bring den Ehevertrag mit!“ Erst da fällt es Dr. Blauauge siedend heiß ein: Es gibt gar keinen Ehevertrag.

Wenn Romantik teuer wird: Die Falle Zugewinngemeinschaft

Was vor 25 Jahren unromantisch gewesen wäre, als Ausdruck mangelnder Verbindlichkeit in das Eheversprechen und den ersten Ehekrach noch vor der Trauung provoziert hätte, fällt Dr. Blauauge als Versäumnis heute schmerzhaft auf die Füße. Dass der Ehevertrag fehlt, bedeutet: Dr. Blauauge muss bei einer Scheidung von seiner Frau den Zugewinn ausgleichen. Zugewinn bedeutet: Zum Zeitpunkt der Eheschließung haben die Eheleute Blauauge null Vermögen. Zum Zeitpunkt der Scheidung beträgt das Vermögen von Dr. Blauauge 2 Millionen Euro, darin enthalten sind die Praxis, die Immobilie und außerdem alles, was er auf der hohen Kante hat: vermietete Immobilien und ein Aktiendepot. Dr. Blauauge ist bis zum Zeitpunkt der Scheidung wirtschaftlich erfolgreich und hat seine Finanzen bislang gut gemanaged. Frau Blauauge hat es bis zum Zeitpunkt der Scheidung auf ein Vermögen in Höhe von 10.000 Euro gebracht. Aufgrund der Zugewinn­gemeinschaft muss jeder 50 % des Zugewinns an den anderen abgeben. Im Falle von Frau Blauauge geht es um 5.000 Euro, bei Dr. Blauauge um 1 Million Euro.

Als er das erste Mal mit dem Thema Zugewinngemeinschaft konfrontiert wird, argumentiert Blauauge, dass sein Geld ja in Immobilien steckt, die noch mit Hypo­theken belastet sind und dass das Vermögen nicht frei verfügbar auf Konten liegt. Das nützt ihm allerdings nichts. Wenn es allerdings um die Ermittlung der Zugewinngemeinschaft geht, bewerten unabhängige Gutachter die Gewinnfähigkeit der Praxis an der Einrichtung und am Patientenstamm. Kommen diese zu dem Schluss, dass die Praxis tatsächlich 2 Millionen Euro wert ist, dann wäre Blauauge verpflichtet, 1 Million Euro an seine Noch-Gattin auszuzahlen.

Doch woher soll er das Geld nehmen? Wendet sich der selbständige Zahnarzt an seine Bank, stellt die als erstes die Frage nach Sicherheiten. Kann Blauauge neue Grundschulden eintragen in sein Haus? Eine echte Lösung ist das nicht, denn Frau Blauauge hat ja auch Anspruch auf die Hälfte des Hauses, entweder als Auszahlung oder weil sie bereits als Miteigentümerin im Grundbuch steht.

Eine vertrackte Situation, die in einem Rosenkrieg enden können. Erfahrungs­gemäß werden solche Angelegenheiten selten mit einem kühlen Kopf besprochen. Oft kochen hier die Emotionen hoch und viele Rechtsanwälte sind heutzutage motiviert, ihre MandantInnen bestens zu vertreten und gern auch mal vor Gericht zu ziehen, denn damit steigt auch das eigene Honorar. Vor diesem Hintergrund kann die eigene Existenz als selbständiger Zahnarzt schnell gefährdet sein. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, sich außergerichtlich zu einigen: So besteht etwa die Möglichkeit statt Bargeld eine Überschreibung anzubieten, etwa die Einkünfte aus Vermietung oder Verpachtung oder das Depot, dafür bleibt das Haus dann beim ursprünglichen Eigentümer.

Das Scheidungsthema wird in die Praxis getragen

Noch komplizierter wird es im Trennungsfall, wenn es einen Geschäftspartner und Mitgesellschafter gibt, der selbst die anderen 50 Prozent der Anteile hält: Dr. Fleißig muss das Bank-Darlehen, das Dr. Blauauge aufnehmen muss, ebenfalls mit unterschreiben, damit die Bank überhaupt in den Kredit einwilligt, mit dem Dr. Blauauge seine Ehefrau auszahlen kann. Damit wird das Scheidungs­problem endgültig in die Praxis hineingetragen und Dr. Fleißig, selbst glücklick verheiratet, haftet mit für eine gescheiterte Ehe, mit der er rein gar nichts zu tun hat.

Wie überzeugt Dr. Blauauge die Ehefrau?

Dr. Blauauge ist im turnusmäßigen Gespräch mit seinem Berater entsetzt über das Ausmaß einer solchen privaten Misere und will wissen, wie er ein solches Szenario heute noch vermeiden kann. Ganz einfach: mit einem Ehevertrag, der einen Zugriff auf das sogenannte notwendige Betriebsvermögen für den Fall der Scheidung ausschließt. Dr. Blauauge lässt sich in diesem Falle von einem Rechtsanwalt beraten und lässt die Vereinbarung von einem Notar beglaubigen.

Die zentrale Frage dabei ist: Geht die Ehefrau eine solche Vereinbarung zu guten Zeiten ein? Sofern sie selbst auf eine eigene Karriere verzichtet, Haus und Hof managed und die Kinder großzieht, kann sie weder ein Einkommen erzielen noch ein eigenes Vermögen aufbauen – und läuft im Falle einer Trennung damit unter Umständen in die Armutsfalle. Um das zu vermeiden, lässt Dr. Blauauge in den Ehevertrag einen Passus integrieren, der seiner Ehefrau für den Fall einer Scheidung einen angemessenen Ausgleich garantiert.

Und was ist, wenn der Teilhaber gehen will?

Dr. Blauauge wird nachdenklich: Was ist, wenn sich nicht meine Ehefrau von mir trennt, sondern Dr. Fleißig, mit dem er eine Berufsausübungsgemeinschaft betreibt. Dann steht ebenfalls die Bestimmung des Praxiswertes an. Dr. Blauauge könnte die Anteile des Kollegen ebenfalls via Kredit übernehmen. Allerdings wird er sich auch hier wieder kritischen Fragen der Banker stellen müssen: Ist er in der Lage, den Gewinnanteil von Dr. Fleißig selbst zu erwirtschaften? Ließe sich das durch einen neuen Partner oder durch Assistenten kompensieren, so dass er mit einem erhöhten Gewinn das Darlehn auch abbezahlen kann?

Um Friktionen zwischen Dr. Blauauge und seinem Geschäftspartner zu vermeiden, sollte der Gesellschaftervertrag im Vorfeld akkurat aufgesetzt sein und zwar bevor der Ernstfall eintritt. Es muss geregelt sein, wie es weitergeht, wenn die Berufsausübungsgemeinschaft aufgelöst wird und zwar so, dass die Praxis nicht in ihrer Existenz gefährdet ist. Wie soll eine Trennung der Gesellschafter verlaufen? Gibt es einen konkreten Fahrplan? Wann muss das Geld ausgezahlt sein und in welcher Höhe?

Wie Ehevertrag und Gesellschaftervertrag aufeinander aufbauen

Dr. Blauauge weiß, dass in der Ehe von Dr. Fleißig auch nicht alles rund läuft. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der irgendwann vor einer Scheidung steht. Deshalb rät ihm sein Berater, den Gesellschaftervertrag zu ändern. Er muss eine Klausel beinhalten, die jeden Gesellschafter verpflichtet, einen Ehevertrag abzuschließen, der das notwendige Betriebsvermögen im Falle einer Scheidung von der Zugewinngemeinschaft ausschließt. Damit sind alle Partner und deren Familien im Falle eines Falles abgesichert. Ist ein aktueller oder künftiger Partner dazu nicht bereit, ist dringend anzuraten, auf eine Teilhaberschaft mit diesem Kollegen zu verzichten.

[!] Wer kein internes Know-how hat, wie ein solcher Ehevertrag und ein wasserdichter Gesellschaftervertrag auszusehen haben, sollte sich die Unterstützung von Vermögensberatern, Steuerberater und Juristen und Notaren sichern.