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02.11.2016·Fallbeispiel Erstattungsprobleme nach einer Implantation: komplexer Fall in vier Phasen – Teil 4

·Fallbeispiel

Erstattungsprobleme nach einer Implantation: komplexer Fall in vier Phasen – Teil 4

| Die ersten drei Teile dieser Beitragsserie sind in den Nrn. 8, 9 und 10/2016 von PI erschienen. Die Implantattherapie nähert sich nun dem Abschluss. Eine Röntgen-Kontrollaufnahme zeigt, dass die Implantate regio 36 und 37 osseointegriert sind und die Freilegung erfolgen kann. Auch diesmal kommt es zu einem Schriftwechsel mit der privaten Krankenversicherung (PKV). |

Der Therapieplan für Phase 4

Für die Freilegung der Implantate 36 und 37 wurden folgende Ziffern aufgelistet:

Region
GOÄ/GOZ
Leistungsbeschreibung
Faktor
Anzahl
Euro

Ä1

Beratung

2,3

1

10,72

Ä5

Symptombezogene Untersuchung

2,3

1

10,72

Ä5004

Orthopantomogramm

1,8

1

41,96

38

0080

Oberflächenanästhesie

2,3

1

3,88

38

0100

Leitungsanästhesie

2,3

1

9,06

37, 36

9040

Freilegen Implantat

3,5

2

246,47

3240

Vestibulumplastik kleineren Umfangs

3,0

1

92,79

0510

OP-Zuschlag

1,0

1

42,18

Ä530

Kältepackung

1,8

1

3,67

Ä75

Befundbericht

2,3

1

17,43

37

3290

Nachkontrolle

2,3

1

7,11

Fotografien § 9 GOZ

2

7,50

37

3300

Nachbehandlung

2,3

1

8,41

Zwischensumme Honorar

501,90

Geschätzte Materialkosten

95,00

Gesamtbetrag

596,90

 

Die Freilegung mit begleitenden Maßnahmen

Nach regionaler Untersuchung, Fertigung einer Röntgenaufnahme und der Beratung der Patientin werden die Implantate unter Anästhesie freigelegt. Dabei werden Sekundärteile ausgewechselt, was mit der Freilegung in der GOZ-Nr. 9040 enthalten ist. Das Weichgewebe zeigt bukal noch Defizite, sodass mithilfe einer kleinen Vestibulumplastik eine chirurgische Korrektur erfolgt. Diese wird nach der GOZ-Nr. 3240 mit dem OP-Zuschlag Nr. 0510 in Rechnung gestellt. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme war in der Planungsphase vor einigen Monaten nicht eindeutig absehbar. Für die Dokumentation werden prä- und postoperativ Fotografien gefertigt, um die Defizite im Weichgewebe mit Korrektur und Auswirkung für die Formung des Emergenzprofis beim Hauszahnarzt festzuhalten.

 

Nach der Nahtlegung wird ein Coolpack angelegt, bevor die Patientin die Praxis verlässt. Nach einer Wundkontrolle am Folgetag werden zehn Tage später die Nähte entfernt und die Patientin für die weitere prothetische Versorgung zum Hauszahnarzt überwiesen. Nach den bisherigen Behandlungsphasen wurde lediglich ein kurzer Arztbrief verfasst. Erst jetzt am Ende der Behandlung wird ein ausführlicher Bericht über die Befundung und alle erbrachten Maßnahmen mit Prognose der Therapie nach GOÄ-Nr. 75 verfasst.

Die Abschlussrechnung wird erstellt

Eine Woche nach der Nahtentfernung wird die Rechnung für die Patientin vorbereitet. Der Gesamtbetrag in Höhe von 710,23 Euro weicht vom Therapieplan lediglich um die Kosten für die Vestibulumplastik mit OP-Zuschlag ab. Die Materialkosten für Anästhetikum, Naht, zwei Gingivaformer und das Porto für den Arztbrief belaufen sich auf 88,40 Euro, sodass ein Gesamtbetrag in Höhe von 798,63 Euro in Rechnung gestellt wird.

Was moniert die Versicherung schon wieder?

Rund drei Wochen später übermittelt die Patientin der chirurgischen Praxis ein Schreiben ihrer PKV, die eine Leistung in der Kostenübernahme zurückgestellt und die GOÄ-Nr. 75 in die Nr. 70 gewandelt hat. Die Versicherung weist darauf hin, dass für die Freilegung der 3,5-fache Satz berechnet, aber nicht nach den Vorgaben von § 5 Abs. 2 GOZ begründet wurde. Nach Überprüfung der Rechnung zeigt sich, dass in der Tat eine Begründung fehlt. Derartige Versäumnisse sollten auf einer Teambesprechung allen Mitarbeitern deutlich gemacht werden, denn ohne den Eintrag liegt auch keine Erschwernis bei Durchführung der Leistung vor – so die rechtliche Lage. Jede Praxissoftware enthält Begründungen für die Fachbereiche. Primär muss der Chirurg den Grund für die Faktorsteigerung benennen. Der Nachtrag wird unter Angabe des Tagesdatums in der Patientenakte eingetragen.

 

Die Norm gibt dem Zahnarzt z. B. folgende Bemessungskriterien an die Hand: maximaler, überdurchschnittlicher, exorbitant hoher, verhältnismäßig hoher, über die Verhältnisse erhöhter Aufwand; weit über dem Durchschnitt liegende Schwierigkeit oder Zeitaufwand, erschwerte Umstände bei der Ausführung und besondere Schwierigkeit des Krankheitsfalls. Danach folgt ein Bindewort, z. B. aufgrund, da, weil, wegen, in Form von, insbesondere weil, insbesondere da, primär weil, primär aufgrund oder primär wegen.

 

Die Begründung für den 3,5-fachen Satz kann z. B. lauten: „komplizierte Implantatlage, Schnittführung in ungünstigem Schleimhautareal“; „dicke Schleimhautverhältnisse mit gleichzeitiger Konturierung wegen schwerem Durchdringen aufgrund narbiger Gingiva“; „starke Verwachsungen des Implantats mit der Gingiva“; „da bei Patient [Name Patient] besonders dicke Schleimhautverhältnisse vorlagen, erforderten die Freilegung und Konturierung der Durchtrittsstellen einen Zeitaufwand, der weit über dem Durchschnitt lag“.

 

Die Rechnung kann unter Ergänzung der notwendigen Begründung neu ausgestellt werden. Daraus muss hervorgehen, dass es sich um eine Korrektur der vorausgegangenen Rechnung handelt. Dazu ist der Zahnarzt bereits aus dem Grundsatz heraus verpflichtet, da Originalrechnungen nur einmal erteilt werden dürfen und Zweitausfertigungen deutlich als solche kenntlich zu machen sind. Es handelt sich um eine „ersatzfeststellende Rechnung“.

Welche Anforderungen bestehen an die GOÄ-Nrn. 70 und 75?

In diesem Jahr wird sowohl bei der GKV als auch bei der PKV die Berechnung der Arztbriefe verstärkt unter die Lupe genommen. Es geht nicht um die Länge des Arztbriefes, sondern um den Inhalt. Die PKV hat die GOÄ-Nr. 75 nicht anerkannt und in die GOÄ-Nr. 70 gewandelt. Die Leistungsbeschreibungen der beiden Gebührenziffern zeigen bereits die gesetzlichen Anforderungen:

 

  • GOÄ-Nr. 70: Kurze Bescheinigung oder kurzes Zeugnis, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
  • GOÄ-Nr. 75: Ausführlicher schriftlicher Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem Befund/den Befunden, zur epikritischen Bewertung und ggf. zur Therapie).

 

  • Welche Angaben muss ein ausführlicher Arztbrief enthalten?
Inhalt
Hauszahnarzt/Kollege

Schriftlich

Brief oder E-Mail (Datenschutz!)

Anamnese

Überweiser Relevantes mitteilen

Krankheitsverlauf

Verlust der Zähne 36, 37, 38 innerhalb von vier Jahren

Diagnose

Fortgeschrittener Alveolarkammatrophie 36-38

Therapieverlauf Phase 1

Befundbericht nach GOÄ-Nr. 70

 

Erbrachte Maßnahmen in Kurzform

Therapieverlauf Phase 2

Befundbericht nach GOÄ-Nr. 70

 

Erbrachte Maßnahmen in Kurzform

Therapieverlauf Phase 3

Befundbericht nach GOÄ-Nr. 70

 

Erbrachte Maßnahmen in Kurzform

Therapieverlauf Phase 4

Freilegung mit kleiner Vestibulumplastik

Befundbericht nach GOÄ-Nr. Ä75

Krankheits- und Therapieverlauf mit durchgeführten Maßnahmen

Ausführliche Schilderung von Anamnese, Krankheitsverlauf, Prognose für Suprakonstruktion, Ausformung Emergenzprofil für 6 bis 12 Wochen, UPT und Prophylaxe-Hinweise, Gestaltung Kronen, Verwendung von Originalkomponenten

Phase 1

Verbesserung Weichgewebssituation mit Vestibulumplastik und FST

Phase 2

Sedierung, Kieferkammaufbau 36-38, PRP

Phase 3

Sedierung, Implantation 36, 37, PRP

Phase 4

Freilegung Implantate, kleine Vestibulumplastik

 

In den ersten drei Phasen wurde lediglich ein kurzer Befundbericht für den Hauszahnarzt nach GOÄ-Nr. 70 verfasst und berechnet. Der Abschlussbericht enthält alle geforderten Detailpunkte und liefert darüber hinaus eine Prognose und Hinweise für die weitere Behandlung. Die Berechnung der Nr. 75 ist korrekt und kann anhand einer Kopie des Arztbriefs durch den Patienten mit der korrigierten Rechnung der PKV zugestellt werden, wenn vom Patienten eine Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt.