Uncategorized

07.03.2014·Leserforum Private Versicherung reduziert Implantatanzahl im zahnlosen Oberkiefer – was tun?

·Leserforum

Private Versicherung reduziert Implantatanzahl im zahnlosen Oberkiefer – was tun?

| FRAGE: „Bei einer Patientin sind im Oberkiefer zehn Implantate zur Versorgung mit einer bedingt herausnehmbaren Brücke vorgesehen. Die private Krankenversicherung will nur acht Implantate kostenseitig übernehmen und beruft sich auf die Indikationsklassen. Ist das rechtens und was sind die Indikationsklassen?“ |

 

Antwort: Die Indikationsklassen wurden erstmals am 5. Juni 1973 von der Konsensuskonferenz Implantologie erstellt und fortlaufend überarbeitet. An diesen Indikationsklassen orientieren sich private Krankenversicherungen. Es handelt sich dabei um Empfehlungen, nicht um gesetzliche Vorschriften, die fallbezogen von den gelisteten Regelversorgungen in der Anzahl der Implantate abweichen können.

 

Seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. März 2003 (Az. IV ZR 278/01; Abruf-Nr. 030589) kann eine private Krankenversicherung (PKV) eine implantatgetragene Versorgung nicht mehr unter Bezugnahme auf die damit verbundenen höheren Kosten im Vergleich zu einer konventionellen prothetischen Alternativversorgung ablehnen. Daher wird von Kostenerstattern nach neuen Wegen gesucht, Implantatbehandlungen einzuschränken.

 

Nach § 1 Abs. 2 GOZ darf der Zahnarzt Vergütungen nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der zahnmedizinischen Kunst für eine zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Falls Leistungen auf Verlangen des Patienten durchgeführt werden, die nicht medizinisch notwendig sind, werden diese schriftlich im Vorfeld der Behandlung vereinbart und auf dem Therapieplan sowie auf der Rechnung explizit ausgewiesen (§ 1 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 GOZ).

 

Laut herrschender Rechtsauffassung ist eine Behandlungsmaßnahme medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und anerkannten ärztlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (BGH, Urteile vom 29. November 1978 – IV ZR 175/77 – und vom 29. Mai 1991 – IV ZR 151/90). Der BGH entschied, dass die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit einem neutralen Sachverständigen obliegt (29. November 1978, Az. IV ZR 175/77, Abruf-Nr. 133332). Solche Sachverständigen werden von Zahnärztekammern oder Gerichten bestellt. Wenn eine PKV ihre Leistungspflicht einschränken will, ist sie darlegungs- und beweispflichtig, dass das Maß der medizinischen Notwendigkeit überschritten ist (OLG Hamm, 9. September 1990, Az. 20 W 35/90).

 

Es bleibt dem Patienten in Absprache mit dem Zahnarzt überlassen, für welche der möglichen therapeutischen Alternativen er sich entscheidet, um die notwendige Versorgung vorzunehmen. Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum sind auch von dem in Deutschland erreichten Versorgungsstandard bestimmt. Ein Privatpatient hat sich bewusst für eine PKV entschieden, damit ihm nicht nur ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnmedizinische Leistungen wie in der GKV zur Verfügung stehen (§ 12 SGB V).

 

Nach Ansicht kostenerstattender Stellen stellt die geplante Therapie eine Überversorgung dar, die das Maß des medizinisch Notwendigen überschreitet. Der Patient ist als Versicherter zum Nachweis des Versicherungsfalles (hier: fehlende Zähne) gegenüber seiner PKV verpflichtet. Da fehlende Zähne eine Krankheit darstellen, besteht eine medizinische Notwendigkeit, die wiederum die Versicherung zur Leistung verpflichtet. Das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 enthält folgende Aussage: „Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.“

 

Zur Einschätzung des Fehlens von Zähnen als Krankheit wurden vom Bundessozialgericht einige Urteile gefällt: 5. April 1974 (Az. 9 RV 54/73), 24. März 1977 (Az. 10 RV 71/76), 19. Juni 2001 (Az. B 1 KR 4/00 R), 26. Februar 2003 (Az. B 8 KN 9/01 KR R) und 13. Juli 2004 (Az. KR 37/02 R, Abruf-Nr. 102902 unter pi.iww.de).

 

Konsensuskonferenz Implantologie und Indikationsklassen

Die Indikationsklassen für die implantologische Versorgung des zahnlosen Oberkiefers werden differenziert nach der prothetischen Zielsetzung für einen festsitzenden oder einen herausnehmbaren Zahnersatz. Diese Differenzierung ist darin begründet, dass es Situationen geben kann, in denen der implantatverankerte Zahnersatz – zum Beispiel eine nahezu vollständige und intakte Gegenbezahnung im Unterkiefer – eine festsitzende Versorgung im zahnlosen Oberkiefer begründet.

 

Die unterschiedliche Anzahl empfohlener Implantate ist darauf zurückzuführen, dass einzelne Parameter wie Implantatlänge, Implantatdurchmesser und auch die Implantatanzahl einen größeren Einfluss auf die Verweilwahrscheinlichkeit haben, weil die lokale Knochenstruktur oft eine reduzierte Knochenqualität aufweist. Ist ein festsitzender Zahnersatz vorgesehen, so werden in der Indikationsklasse III (Zahnloser Kiefer) für den Oberkiefer acht Implantate empfohlen, bei herausnehmbarem Zahnersatz sechs Implantate.

 

Reduktion der Anzahl an Implantaten

Wenn eine Versicherung die Anzahl von Implantaten begrenzt, dann sollte der Patient auf einer schriftlichen Bestätigung seiner Krankenversicherung bestehen, dass eine reduzierte Anzahl an Implantaten bei seinem Befund medizinisch ausreichend ist und die gleichfalls reduzierte prothetische Versorgung eine auf Dauer optimale Lösung für den Patienten darstellt, die keineNachteile im Hart- und Weichgewebe sowie dem gesamten Kausystem bewirkt. Die Entscheidung einer medizinisch begründeten und nachvollziehbaren Anzahl an Implantaten kann nur vom behandelnden Zahnarzt nach ausführlicher Anamnese und Befundung im jeweiligen Einzelfall in einem gemeinsamen Gespräch mit dem Patienten vorgenommen werden. Die aufgestellten Indikationsklassen sind – um es klar zu betonen – Empfehlungen, von denen abgewichen werden kann. Die Notwendigkeit der zehn Implantate ist dabei zu dokumentieren.