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07.03.2014·Recht Zahnmedizinische Therapie: Die Aufklärung bei der Behandlung Minderjähriger – was gilt?

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Zahnmedizinische Therapie: Die Aufklärung bei der Behandlung Minderjähriger – was gilt?

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de

| Im Zuge der auch innerhalb der Zahnärzteschaft zunehmenden Spezialisierung sind sie bereits als Zielgruppe erkannt worden: Kinder. Doch auch der nicht auf die schwerpunktmäßige Behandlung minderjähriger Patienten ausgerichtete Zahnarzt sollte grundlegende juristische Fallstricke kennen, damit die Behandlung von Kindern nicht zur Reise durch ein Bermudadreieck im Beziehungsgeflecht zwischen Behandler, Patient und Eltern wird. |

Besonderheiten bei der Behandlung von Kindern

Wie bei jedem anderen Behandlungsvertrag schuldet der Zahnarzt dem Patienten eine Leistung lege artis. Bei der Behandlung von Kindern bestehen jedoch Besonderheiten: Für gewöhnlich steht der Erbringung der Behandlungsleistung der Zahlungsanspruch des Arztes gegenüber. Wird jedoch ein Kind behandelt, so wird der Behandlungsvertrag nicht mit dem Patienten, sondern mit dem Zahlungsverpflichteten geschlossen – juristisch ein Vertrag zugunsten Dritter.

 

Anders als bei dem Auseinanderfallen zwischen leistungsberechtigtem Patienten und zahlungsverpflichtetem Rechnungsempfänger stellt sich aber die Lage bei der Aufklärung dar. Hier besteht in der Regel ein vielschichtiges Nebeneinander. Vorab gilt: „Die“ Aufklärung gibt es nicht. Vielmehr ist zu differenzieren. Aufgeklärt werden muss – zum richtigen Zeitpunkt – insbesondere über die zu wählende Therapie (Behandlungsaufklärung), die damit jeweils einhergehenden Risiken (Risikoaufklärung) und die Kosten (wirtschaftliche Aufklärung) – § 630c Abs. 2 und 3, § 630e Abs. 1 und 2 BGB.

Wirtschaftliche Aufklärung

Vermeintlich unproblematisch im Kontext der Behandlung Minderjähriger erscheint die wirtschaftliche Aufklärung: Da die Eltern bezahlen sollen, sind sie auch über die mit der Behandlung verbundenen Kosten zu informieren. Allerdings kann es auch hier zu Komplikationen kommen, wenn zum Beispiel beim Vertragsschluss nur ein Elternteil anwesend ist, Versicherter (und Rechnungsempfänger) aber der andere Elternteil ist (bzw. sein soll). Um vollständig abgesichert zu sein, empfiehlt sich der Vertragsschluss in Anwesenheit beider Elternteile (zu Einzelheiten siehe Langhoff, PI 06/2012, Seite 3).

Einwilligungsfähigkeit

Jede ärztliche Heilbehandlung bedarf der Einwilligung des Patienten. Die Einwilligungsfähigkeit ist jedoch – anders als die für Vertragsschlüsse maßgebliche Geschäftsfähigkeit – nicht an ein bestimmtes Lebensalter gebunden.Während die volle Geschäftsfähigkeit mit der Volljährigkeit eintritt, ist die Einwilligungsfähigkeit eines minderjährigen Patienten nicht an ein bestimmtes Lebensalter gekoppelt. Es kommt darauf an, ob der Minderjährige über die behandlungsspezifische natürliche Einsichtsfähigkeit verfügt, das heißt „nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag“ – was der Behandler im Einzelfall feststellen muss. Verneint er dies, ist die Einwilligung der Eltern einzuholen.

 

Bei unter 14-Jährigen wird davon ausgegangen, das es an der erforderlichen Einwilligungsfähigkeit fehlt; hier kommt es also prinzipiell immer auf die Einwilligung der Erziehungsberechtigten – also grundsätzlich beider Elternteile – an. Ist nur ein Elternteil anwesend, kann der Zahnarzt in Fällen leichter Erkrankungen und alltäglicher Verletzungen ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Abwesende seine Ermächtigung erteilt hat. Bei erheblicheren Verletzungen oder risikoreicheren Behandlungen muss sich der Zahnarzt durch Rückfrage der Zustimmung des Abwesenden vergewissern. An weitreichenden Entscheidungen schwerer Erkrankungen sind zwingend beide Elternteile zu beteiligen. Bei implantologischen Behandlungen dürfte in der Regel zumindest eine Rückversicherung angezeigt sein. Das gilt umso mehr, als geklärt sein muss, dass der zukünftige Rechnungsempfänger informiert ist.

Konfliktsituationen: Vetorecht des Minderjährigen?

Schwierig kann aber die Beurteilung in Situationen sein, in denen erstens zwar der minderjährige Patient in die Behandlung einwilligt, die Eltern aber ihre Zustimmung verweigern, oder umgekehrt zweitens die Eltern die Behandlung befürworten, das Kind diese aber nicht wünscht. Vorab ist zu klären, ob der Minderjährige überhaupt einwilligungsfähig ist; ist dies nicht der Fall, kommt es ohnehin allein auf die Eltern an.

 

Schematische Lösungen gibt es nicht, auch hier hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob die Eltern als gesetzliche Vertreter, gegebenenfalls der Minderjährige allein oder auch der Minderjährige und seine Eltern gemeinsam einwilligen müssen. In der erstgenannten Konstellation wird überwiegend vertreten, dass bei schweren Eingriffen neben dem Minderjährigen auch die Eltern einwilligen müssen. Ein Vetorecht gegen die Einwilligung durch die gesetzlichen Vertreter kann einem Minderjährigen jedenfalls bei nur relativ indizierten Eingriffen mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für ihre künftige Lebensgestaltung zustehen, wenn sie über eine ausreichende Urteilsfähigkeit verfügen (BGH, 10. 10. 2006, Az: VI ZR 74/05, Abruf-Nr. 063499).

Aufklärungszeitpunkt

Keine Besonderheiten bestehen hinsichtlich des für die Aufklärung maßgeblichen Zeitpunkts. Im Grundsatz ist mit so ausreichendem zeitlichen Vorlauf aufzuklären, dass die Möglichkeit einer freien Entscheidung besteht, was eineangemessene Überlegungsfrist ohne Zeitdruck voraussetzt. Diese Zeitspanne kann je nach Umfang, Schwierigkeitsgrad und Komplikationsrisiko etc. unterschiedlich zu bemessen sein. Bei normalen ambulanten Eingriffen genügt meist die Aufklärung am Behandlungstag selbst.