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Die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten vor der implantologischen Behandlung

31.05.2010 |Recht

Die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten vor der implantologischen Behandlung

von RA, FA für Medizinrecht Norman Langhoff, RöverBrönner, Berlin

Aufklärungsfragen mögen oft als hindernder und zeitraubender Formalismus angesehen werden. Gleichwohl kommt ihnen sowohl in haftungsrechtlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht wesentliche Bedeutung zu – vor allem bei Implantatbehandlungen. Nachfolgend geht es ausschließlich um die wirtschaftliche Relevanz ausgesuchter Aspekte bei der Aufklärung über die Kosten einer implantologischen Behandlung. Eine Checkliste zur Vermeidung wesentlicher Fallstricke finden Sie am Ende dieses Beitrages. 

 

Die wirtschaftliche Aufklärung ist eine vertragliche Nebenpflicht des Behandlungsvertrages, deren Verletzung zur Schadenersatzpflicht des Zahnarztes im Haftungsprozess (Freistellung des Patienten von der Zahlungspflicht bzw. Rückzahlung des bereits gezahlten Honorars), aber auch zur Kürzung bis hin zum gänzlichen Verlust des Vergütungsanspruchs im vom Zahnarzt initiierten Honorarprozess führen kann. Sie ist durch die Rechtsprechung inhaltlich nicht umfassend konturiert, so dass Unsicherheiten verbleiben.  

 

Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung umfasst nicht die Aufgabe des Zahnarztes, anstelle des Patienten zu klären, ob und in welchem Umfang der Versicherer die Behandlungskosten übernimmt. Allerdings gibt es hier zunehmend Einschränkungen – gerade im Bereich der zahnärztlichen Behandlung. So bestehen wirtschaftliche Hinweispflichten zum Beispiel in folgenden Konstellationen: 

 

Erkennbare Fehlvorstellung: Wenn zu befürchten ist, dass der Patient selbst Kosten zu tragen hat – was bei Implantatbehandlungen regelmäßig der Fall sein dürfte -, dann besteht eine entsprechende Hinweispflicht des Zahnarztes. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Fehlvorstellungen des Patienten erkennbar sind (so für Implantatbehandlungen das OLG Köln im Urteil vom 23. März 2005, Az: 5 U 144/04; Abruf-Nr. 053380 unter www.iww.de). 

 

Keine ungeprüften Angaben: Ein Zahnarzt verhält sich fehlerhaft, wenn er quasi „ins Blaue hinein“ Auskünfte zur Frage der Erstattungsfähigkeit von bestimmten Kosten abgibt, ohne dass dies auf einer sorgfältigen Abklärung der individuellen Situation des Patienten beruht. Eine Auskunft muss daher entweder richtig sein oder unterbleiben. So hat für Implantatbehandlungen das OLG Köln im Urteil vom 23. März 2005 entschieden. Im konkreten Fall war die Zahnärztin ohne Weiteres davon ausgegangen, dass der private Versicherer die Kosten übernehmen würde, und ohne Abwarten der Kostenzusage zum Behandlungsbeginn geraten. 

 

Kenntnis von der ablehnenden Haltung der Versicherung: Ein Zahnarzt, der weiß, dass der Versicherer seines Patienten bereits vor der Behandlung Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung geäußert hat, verletzt seine Vertragspflicht, wenn er seinen Patienten behandelt, ohne ihn vor Beginn der Behandlung auf die Bedenken des Versicherers und das sich daraus ergebende Kostenrisiko hinzuweisen. So hat das Kammergericht Berlin am 21. September 1999 (Az: 6 U 261/98; Abruf-Nr. 101518) entschieden: Dort lag dem Zahnarzt eine die medizinische Notwendigkeit der geplanten Implantatbehandlung bezweifelnde Stellungnahme der Versicherung vor – gleichwohl begann er die Behandlung.  

 

Gleiches gilt, wenn ein Zahnarzt seine Leistungen routinemäßig oberhalb des Schwellenwertes liquidiert oder eine Honorarvereinbarung abschließt und ihm bekannt ist, dass der vereinbarte erhöhte Steigerungssatz vom privaten Kostenträger nicht anerkannt wird. 

Einzelfragen

Die Frage, ob im konkreten Fall eine Kostenaufklärungspflicht besteht, ist zwar von den Umständen des Einzelfalles abhängig, einige Grundaussagen sind aber möglich. 

 

Behandlungsalternativen und Kostenaufklärung 

Eine echte Behandlungsalternative besteht immer dann, wenn verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Die Existenz von echten Behandlungsalternativen wird in den meisten Fällen auch eine unterschiedliche Kostenbelastung implizieren, was sodann auch eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht begründet. 

 

Der Zahnarzt muss daher über mehrere mögliche konventionelle Behandlungsmöglichkeiten – wie teleskopierende Brücke oder teleskopierende Prothese mit Gaumenplatte, Oberkieferprothese mit Gaumenplatte oder mit Transversalbügel – und über Brückenversorgungen einerseits sowie implantatgetragene Varianten andererseits aufklären, sofern beide Varianten in Betracht kommen (OLG Naumburg, 5. April 2004, Az: 1 U 105/03; Abruf-Nr. 101519). Der Zahnarzt hatte den Patienten nur auf die Möglichkeit einer Brückenversorgung, nicht aber auf das Einsetzen mehrerer kleinerer Brückenteile nach Einbringung von Implantaten zur Pfeilervermehrung hingewiesen. Dies gilt unabhängig vom Versichertenstatus; der gesetzlich Versicherte ist nicht auf eine so genannte „Regelversorgung“ beschränkt.  

 

Bestehen zwar mehrere Behandlungsmethoden, die jedoch bei etwa gleichwertigen Belastungen gleiche Heilungsaussichten versprechen, oder kommt nur eine Versorgungsmöglichkeit in Betracht, so ist gegebenenfalls keine Aufklärung über die Behandlungsalternativen, wohl aber über die Risiken der Methode der Wahl erforderlich. 

 

Gebührensatz 

Über die Höhe der anfallenden Kosten wird durch Erstellung eines Heil- und Kostenplans aufgeklärt. Dabei ist zweckmäßigerweise die voraussichtliche Höhe des Gebührensatzes bekanntzugeben. Erfolgt die Berechnung beispielsweise unter Zugrundelegung eines 2,3-fachen Satzes, so wird ein Hinweis erforderlich sein, dass gegebenenfalls eine Abweichung möglich ist. 

 

Voraufklärung 

Oftmals mag man seitens des Behandlers einwenden, dass der Patient bereits hinreichend informiert war – sei es, weil er sich entsprechenden Behandlungen bereits zuvor unterzogen hat, weil er sich zuvor bereits woanders in zahnärztlicher Behandlung befunden hat oder weil er sogar auf entsprechende Empfehlung gekommen ist. Grundsätzlich ist es dem Behandler nicht verwehrt, sich auf eine bestehende Voraufklärung zu berufen. Es handelt sich hierbei jedoch um einen prozessualen Einwand, der im Streitfall zu beweisen ist.  

Was bei der wirtschaftlichen Aufklärung zu beachten ist

Bei der wirtschaftlichen Aufklärung handelt es sich um eine vertragliche Nebenpflicht. Abweichend von der Eingriffs- und Risikoaufklärung, die stets der Behandler zu beweisen hat, muss die Verletzung einer wirtschaftlichen Aufklärungspflicht vom Patienten bewiesen werden. Wird allerdings eine solche im Prozessfall von Patientenseite schlüssig vorgetragen, so liegt es an der Behandlerseite, Tatsachen anzugeben, die den anderslautenden Vortrag entkräften.  

 

Ein Muster für eine „Dokumentation zur wirtschaftlichen Aufklärung“ in der Zahnarztpraxis enthält unser Online-Service (www.iww.de; in „myIWW“ einloggen) unter der Rubrik „Recht“. 

 

Es gibt vorgedruckte Aufklärungsformulare von Verlagen oder Verbänden für bestimmte Behandlungsmaßnahmen; diese könnten Sie selbst um Notizen zur Kostenaufklärung ergänzen. Scheuen Sie sich – gerade bei spezialisiertem Behandlungsspektrum – nicht, individuell zugeschnittene Formulare zu verwenden. Formulare ersetzen nicht das Aufklärungsgespräch. Die Möglichkeit des persönlichen Dialogs ist ein unverzichtbarer Kern der Aufklärung. Wenn Sie keine separaten Vordrucke zur Dokumentation verwenden, ist die Durchführung und der Inhalt der Aufklärung in den Behandlungsunterlagen zu fixieren.  

 

Um gewappnet zu sein, wenn die Aufklärung im Einzelfall nicht oder nur unvollständig nachvollziehbar dokumentiert ist, sind – zum Beispiel im QM-Handbuch niedergelegte – praxisinterne Standardabläufe empfehlenswert. So könnte der Nachweis der Erläuterung des HKP´s über den Vermerk „HKP an Pat.“ geführt werden, wenn dargelegt werden kann, dass mit Übergabe des HKP ein stets gleicher Erörterungsablauf erfolgt. 

 

Kostenaufklärung: Sind sämtliche Voraussetzungen erfüllt?

Bestehen echte Behandlungsalternativen (inklusive teurer Versorgungsalternativen)? 

Falls ja: Eine Information ist erforderlich, wie diese sich kostenmäßig auswirken! 

 

Sind einem Kassenpatienten die Kosten für die Befunderhebung vor Behandlungsbeginn bekannt? 

 

Wurde der Kassenpatient darüber aufgeklärt, dass auch die Voruntersuchung bei Implantation eine außervertragliche Leistung darstellt, die nicht von der GKV bezahlt wird? 

 

Wurde mit einem Kassenpatienten eine Vereinbarung nach § 4 (5) BMV-Z und § 7 (7) EKV-Z für die Implantation als außervertragliche Leistung abgeschlossen? 

 

Erfolgte der standardmäßige Hinweis, dass verbindliche Auskünfte zur Kostenübernahme privater Kostenträger nicht getroffen werden können? 

 

Erfolgte der Hinweis an den Patienten, dass die Kostenübernahmerklärung privater
Kostenträger durch ihn herbeigeführt werden muss? 

 

Wurden – sofern vorhanden – Merkblätter zur Kostenerstattung bei Privatpatienten und zu Sonderabkommen ausgehändigt? 

 

Besteht ein Sonderabkommen, das ggf. einem anderen Erstattungsmodus unterliegt? 

 

  • Beihilfe

 

  • KVB I-III

 

  • Postbeamtenkrankenkasse

 

  • Polizei

 

  • Zivildienst

 

  • Bundeswehr

 

  • EU-Auslandsversicherung

 

  • Unfallversicherung/BG

 

  • Sonstiger Kostenträger

 

Ist die Kostenaufklärung korrekt dokumentiert? Sind Besonderheiten nachvollziehbar? 

 

Kein Behandlungsbeginn vor Klärung der Kostenübernahme! 

 

Liegt die Unterschrift des Versicherten auf dem HKP vor Behandlungsbeginn vor? 

 

Wurde der Kassenpatient darüber aufgeklärt, dass bei Überweiserstruktur der Chirurg den HKP für die Implantation und der Zahnarzt die Behandlungsunterlagen für die Prothetik erstellen muss? 

 

Enthält der HKP einen Hinweis auf Bekanntgabe der Begründung bei Faktorsteigerung oberhalb des 2,3-fachen Gebührensatzes von GOZ-Leistungen bei Rechnungslegung? 

 

Erfolgte der Hinweis an den Kassenpatienten, dass der Bema-HKP mit Anlage bei seiner gesetzlichen Krankenversicherung mit Bonusheft zur Festsetzung des Festzuschusses eingereicht und anschließend in der Praxis abgegeben werden muss? 

 

Ist gegebenenfalls die Ausstellung von alternativen Therapieplänen erforderlich? 

 

Hat der Kassenpatient einen Heil- und Kostenplan (HKP) für zum Beispiel Diagnostik, Chirurgie inklusive Freilegung und Prothetik erhalten? 

 

Enthält der HKP einen Hinweis, dass die Behandlungsunterlagen zur Festsetzung der
Kostenbeteilung beim privaten Kostenträger eingereicht werden sollen? 

 

Wurden die absehbaren Steigerungsfaktoren im HKP aufgeführt? 

 

Enthält der Heil- und Kostenplan einen Hinweis, dass bei Abweichung der geplanten Kosten in Höhe von 20 Prozent eine verbale und schriftliche Information erfolgt?