31.03.2011 |Recht Wann kann dem Zahnarzt der Vorwurf eines Abrechnungsbetruges gemacht werden?
31.03.2011 |Recht
Wann kann dem Zahnarzt der Vorwurf eines Abrechnungsbetruges gemacht werden?
von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RöverBrönner, Berlin, www.roeverbroenner.de
Mit einem Anflug von Galgenhumor äußern Mediziner oftmals, als Ärzte stünden sie bei Ausübung ihres Berufes „schon mit einem Bein im Gefängnis“. Dabei darf in der Tat nicht verkannt werden, dass insbesondere auch Fragen der Abrechnung ärztlicher Leistungen durchaus eine hohe strafrechtliche Relevanz haben können. Zusätzlich können berufsrechtliche, vertragszahnarztrechtliche und weitere verwaltungsrechtliche Konsequenzen drohen.
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Abrechnung gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung, den Krankenkassen, den Privat- und den Kassenpatienten – im Hinblick auf den Eigenanteil – gehört zu den wesentlichen Berufspflichten eines Zahnarztes. Anknüpfend hieran bestehen vielfältige rechtliche Sanktionsmechanismen:
Disziplinarmaßnahmen der Zahnärztekammern
Zahnärzte sind von Gesetzes wegen Mitglieder der jeweiligen Zahnärztekammer und unterliegen deren Disziplinargewalt. Auf Antrag der Kammer, teilweise auch der zuständigen Landesaufsichtsbehörde, die die Approbation erteilt, kann bei Verstößen gegen die Berufsordnung ein berufsgerichtliches Verfahren eingeleitet werden. Die Heilberufs- oder Kammergesetze der Länder sehen als Sanktionen in der Regel folgende Maßnahmen vor: Warnung, Verweis, Entziehung des passiven Berufswahlrechts, Geldbuße (bis zu 50.000 Euro) und die Feststellung der Unwürdigkeit, den Beruf auszuüben (was dann ein Approbationsentziehungsverfahren nach sich zieht).
Disziplinarmaßnahmen der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen
Die KZVen haben separate Disziplinarordnungen, die Verstöße gegen vertragszahnarztrechtliche Vorgaben – wie zum Beispiel gegen die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung, ein dauerhafter Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, die Verletzung vertragszahnarztrechtlicher Organisationspflichten bei der Praxisführung oder die Verletzung der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung – sanktionieren. Pflichtwidrig ist zum Beispiel auch die Forderung eines privaten Zusatzhonorars bei vertragszahnärztlich definierten Leistungen oder die Ablehnung dieser Behandlung mit dem Argument fehlender Kostendeckung durch die GKV-Honorare.
Als Maßnahmen können ergriffen werden: Verwarnung, Verweis, Geldbuße (bis 10.000 Euro) oder das Ruhen der Zulassung bis zu zwei Jahren. Zudem kann beim Zulassungsausschuss die Einleitung eines Zulassungsentziehungsverfahrens beantragt werden.
Entziehung der Zulassung durch die Zulassungsgremien
Bei einer gröblichen Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten kann – unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – neben einer Disziplinarmaßnahme der KZV die Zulassungsentziehung drohen.
Widerruf der Approbation durch die Landesaufsichtsbehörde
Die Erteilung der Approbation setzt voraus, dass der Inhaber sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BÄO). Entfällt diese Voraussetzung, zum Beispiel durch disziplinarrechtlich relevante Verstöße, so kann die Approbation widerrufen werden.
Kann schon bei Auslegungsdifferenzen ein Betrug vorliegen?
Praktisch sehr relevant sind die Fälle, in denen zur korrekten Abrechnung bestimmter GOZ-Positionen verschiedene Auffassungen bestehen. Je nachdem wäre dann die abgerechnete Leistung infolge der „Fehlbewertung“ nicht erbracht und es läge insoweit eine Täuschung vor. Dennoch wird in diesen Fällen eine Betrugshandlung aus mehreren Gründen nicht anzunehmen sein:
In der Liquidation werden die Leistungspositionen umfänglich offengelegt; dem Rechnungsempfänger ist also die Überprüfung ermöglicht, sodass kein Irrtum vorliegt. Der Bundesgerichtshof hält eine Betrugsstrafbarkeit zwar auch für möglich, wenn das Opfer die Täuschung bei genügender Prüfung hätte erkennen können. Allerdings wird in diesen Fällen der erforderliche Vorsatz – es gibt keinen „fahrlässigen Betrug“ – nicht nachzuweisen sein. Denn aufgrund der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten muss ein Strafbarkeitsvorwurf ausscheiden, wenn die Abrechnungsvariante tatsächlich vertreten wird. Werden gar nicht erbrachte Leistungen („Luftleistungen“) abgerechnet, liegt jedoch Betrug vor.
Demgegenüber kann der nachträgliche Verzicht auf einen Teil des Honorars strafrechtlich relevant sein. Dem Privatpatienten steht ein Kostenerstattungsanspruch gegen seine Versicherung zu. Versucht der Arzt, dem Patienten durch die Ausstellung einer zunächst höheren Rechnung zu einer höheren Erstattung zu verhelfen, so kann dies als Beihilfe zum – versuchten – Betrug strafbar sein. Darüber hinaus setzt man sich dem Vorwurf aus, von vornherein überhöhte Rechnungsbeträge geltend zu machen (vergleiche hierzu auch Dahm, MedR 2003, 268). Ähnliches kann unter Umständen gelten, wenn der Arzt nach Erstattung auf einen Teilbetrag verzichtet und der Patient die Differenz nicht an die Versicherung zurückzahlt.
Weiterführender Hinweis
- Unsere Themen in Teil 2: Wahl des Gebührenrahmens, formelmäßige Abrechnung des Höchstsatzes, Kostenerstattung, Kick-back-Problematik, Laborleistungen, Zielleistungsprinzip, Delegation (persönliche Leistungserbringung).