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04.07.2012·Recht Wettbewerbsklauseln: Inhaltliche Gestaltungsgrenzen und Herabsetzung der Vertragsstrafe

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Wettbewerbsklauseln: Inhaltliche Gestaltungsgrenzen und Herabsetzung der Vertragsstrafe

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-legal.de

| Sowohl in Gesellschaftsverträgen zwischen kooperierenden Ärzten als auch in Praxiskaufverträgen sind regelmäßig mit Vertragsstrafen bewehrte Wettbewerbsklauseln enthalten. Diese unterliegen aber in gewissem Rahmen der gerichtlichen Kontrolle. Jetzt hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einer aktuellen Entscheidung nicht nur mit den inhaltlichen Grenzen einer Wettbewerbsklausel beschäftigt, sondern auch eine Anpassung der vereinbarten Vertragsstrafe vorgenommen (Urteil vom 22. Februar 2012, Az: 5 U 1233/11; Abruf-Nr. 121506 unter pi.iww.de). |

Der Sachverhalt

Die Kläger übernahmen gegen einen Kaufpreis von insgesamt 225.000 Euro eine Zahnarztpraxis. Der beklagte Zahnarzt verpflichtete sich, „innerhalb von zwei Jahren nach dem Übergabezeitpunkt im Umkreis von 9 km Luftlinie vom Praxissitz keine zahnärztliche Tätigkeit auszuüben“; dies sollte „auch für eine nicht nur gelegentliche Vertretung […] bei einem Kollegen im geschützten Gebiet“ gelten. Bei einer „Zuwiderhandlung gegen das Rückkehrverbot“ war der „Kaufpreis für den ideellen Praxiswert [hier 210.000 Euro] zurückzuerstatten“.

 

Spätestens von Februar 2009 an arbeitete der beklagte Zahnarzt unstreitig innerhalb dieser Grenzen mehrmals wöchentlich in Vertretung der langfristig erkrankten Mitinhaberin einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die Kläger hatten bereits eine gerichtliche Verfügung gegen den Beklagten erwirkt, wonach dieser die Vertretungstätigkeit zu unterlassen hatte. Mit ihrer Klage machten sie die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend. Das OLG Koblenz hat den Beklagten unter Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 50.000 Euro zuzüglich anteilig geminderter Anwaltskosten verurteilt.

Beurteilung der Wettbewerbsklausel

Vereinbarungen über Wettbewerbsbeschränkungen greifen in die Berufsausübungsfreiheit der Vertragsparteien ein; sie unterliegen deshalb einer gerichtlichen Kontrolle und sind nichtig, wenn sie „örtlich, zeitlich und gegenständlich das notwendige Maß […] überschreiten“ (BGH, Urteil vom 14. Juli 1997, Az: II ZR 238/96). Bei der Verwendung von Wettbewerbsklauseln ist wegen unterschiedlicher Folgen zu weitreichender Formulierungen Vorsicht geboten:

 

Ein Gericht kann ein zeitlich zu weit gefasstes Wettbewerbsverbot auf ein angemessenes Maß reduzieren (Daumenregel: Zeitraum von maximal zwei Jahren zulässig). Bei zu weiter Fassung des örtlichen Tätigkeitsverbots und/oder sachlichen Geltungsbereichs (Verbot für welche Art von Tätigkeit, zum Beispiel Niederlassung, Angestelltentätigkeit in Praxis oder Krankenhaus, gelegentliche Vertretungen?) ist eine geltungserhaltende Korrektur nicht möglich und die Wettbewerbsklausel insgesamt nichtig. Aus diesem Grund ist daher bei der Gestaltung das nötige Augenmaß zu wahren.

 

Das OLG Koblenz hat die im Urteilsfall zu beurteilende Wettbewerbsklausel nicht beanstandet und festgestellt, dass ein „räumlich auf neun Kilometer und zeitlich auf zwei Jahre beschränktes Wettbewerbsverbot im Übertragungsvertrag einer Zahnarztpraxis […] verfassungsrechtlich unbedenklich“ sei.

 

Dabei ist darauf hinzuweisen, dass Wettbewerbsklauseln in Gesellschaftsverträgen im Allgemeinen wohl strenger als solche in Praxiskaufverträgen zu bewerten sind, weil die Bindung an einen bestimmten Behandler dort weniger fest ist und der Ausscheidende in größerem Maß beabsichtigt, seine (zahn)ärztliche Tätigkeit fortzusetzen. Im Übrigen kann der – noch – zulässige Umfang der örtlichen Beschränkung im Einzelfall je nach Spezialisierungsgrad der Praxis, Einzugsgebiet oder ähnliches variieren.

 

Für eine an anderer Stelle enthaltene – wohl nicht entscheidungserhebliche – Relativierung in Bezug auf die Korrigierbarkeit örtlicher Beschränkungen ist das Urteil jedoch auch kritisiert worden (siehe dazu Pfofe in „Zahnärzte Wirtschaftsdienst“ Nr. 6/2012, S. 24). Die Revision ist beim Bundesgerichtshof anhängig.

Herabsetzung der vereinbarten Vertragsstrafe möglich

Das OLG Koblenz hat im Urteilsfall den erstinstanzlich zugesprochenen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht beanstandet und die erstinstanzlich vorgenommene Herabsetzung der klageweise geltend gemachten und vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe um mehr als 75 Prozent gebilligt. Eine solche Herabsetzung ist gemäß § 343 Abs. 1 BGB möglich, wenn eine verwirkte Strafe „unverhältnismäßig hoch“ ist; bei dieser Prüfung ist „jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das Vermögensinteresse in Betracht zu ziehen“.

 

Bei der deutlichen Minderung wurde berücksichtigt, dass die zweijährige Karenzphase bereits abgelaufen und den Klägern kein nachweisbarer Schaden entstanden war. Andererseits kommt es aber – mit Ausnahme so genannter „Bagatellverstöße“ – auf einen konkreten Schadeneintritt wegen des Sanktionscharakters ausdrücklich gerade nicht an. Eine entsprechende Herabsetzung kann nur auf Antrag des Schuldners vorgenommen werden und ist nur möglich, wenn die vereinbarte Strafe noch nicht entrichtet worden ist.

 

PRAXISHINWEIS | Wettbewerbsklauseln in Praxisgemeinschaftsverträgen sind grundsätzlich unwirksam, da deren Vertragszweck ausschließlich die Kostenteilung gemeinsam genutzter Ressourcen ist. Da die Gesellschafter der Praxisgemeinschaft ihren Beruf aber einzeln ausüben, besteht bei Beendigung kein schutzwürdiges Interesse verbleibender Gesellschafter. Ausnahmen könnten aber bei gemeinsam genutzten medizinisch-technischen Großgeräten bestehen.