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01.04.2016·Steuern, Teil 2 Umsatzsteuer: Die Kleinunternehmerregelung und dessen Auswirkungen für die Zahnarztpraxis

·Steuern, Teil 2

Umsatzsteuer: Die Kleinunternehmerregelung und dessen Auswirkungen für die Zahnarztpraxis

von Birgit Sayn, ZMV, Praxisschulung, Seminare und Coaching, Leverkusen

| In diesem Beitrag stellen wir zunächst umsatzsteuerpflichtige Leistungen vor, anschließend wird die Kleinunternehmerregelung erläutert. |

Berufliche und gewerbliche Tätigkeiten

Der Zahnarzt ist Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn. Grundsätzlich ist seine freiberufliche Tätigkeit im Bereich der (zahn-)medizinisch notwendigen Heilbehandlung zum überwiegenden Teil von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 14 Buchstabe a UStG). Das Unternehmen des Zahnarztes ist jedoch dabei nicht auf seine Praxis beschränkt. Steuerrechtlich umfasst es die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Folgende Einnahmen unterliegen beispielsweise – jede für sich betrachtet – der Umsatzsteuer:

 

Ästhetische Leistungen; Fotos ohne therapeutisches Ziel; Lehrtätigkeit; Vortragstätigkeiten, soweit sie nicht im Rahmen von Lehrveranstaltungen an Universitäten und staatlichen Berufsschulen stattfinden; schriftstellerische Tätigkeiten in medizinischen Fachzeitschriften; Verkauf von Mundhygiene- und -pflegeartikeln; entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten; Gutachten für Versicherungen; Prothetikumsätze (zahntechnische Leistungen); Lieferung von Hilfs-, Pflege- und Nahrungsergänzungsmitteln; umsatzsteuerpflichtige Vermietung von Gewerberäumen; Vergütungen für Verwaltungs- oder Geschäftsführungstätigkeiten eines Gesellschafters einer Personengesellschaft; Betrieb von Fotovoltaikanlagen.

Die Kleinunternehmerregelung

Der Gesetzgeber hat im Umsatzsteuergesetz eine Sonderregelung erlassen, wonach bei geringen – eigentlich steuerpflichtigen – Einnahmen keine Umsatzsteuer zu leisten ist (§ 19 Abs. 1 S. 1 UStG). Kleinunternehmer ist jeder Zahnarzt, dessen steuerpflichtigen Umsätze einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer im Vorjahr 17.500 Euro Gesamtumsatz nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer voraussichtlich nicht übersteigen werden.

 

Für die Umsatzgrenze von 50.000 Euro kommt es darauf an, ob nach den Verhältnissen zu Beginn des Besteuerungszeitraums diese Grenze überschritten wird oder nicht. Hierbei handelt es sich um eine Umsatzprognose. Wird die Grenze im Laufe des Kalenderjahrs über- oder unterschritten, bleibt sie dennoch maßgebend. Für eine korrekte Prognose hat der Unternehmer auf Verlangen des Finanzamts die Verhältnisse darzulegen, aus denen sie sich ergibt. Die nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfreien Umsätze (Heilbehandlungen, z. B. Füllungen, Extraktionen, prophylaktische und parodontale Therapie, Implantationen) sind nicht in die Ermittlung des Gesamtumsatzes mit einzubeziehen.

 

Warum gibt es eine Kleinunternehmerregelung?

Solange der Zahnarzt mit seinen steuerpflichtigen Umsätzen unter die so- genannte Kleinunternehmerregelung fällt, wird die für die eigentlich steuerpflichtigen Umsätze geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, da das Prozedere aufwendig ist und der Staat kleinere Unternehmen somit entlastet. Wer also bestimmte Umsatzgrenzen nicht überschreitet, kann diese Vereinfachung für sich in Anspruch nehmen. Kleinunternehmer müssen daher weder eine Umsatzsteuervoranmeldung noch eine Umsatzsteuerjahreserklärung abgeben. Neben Einnahmen aus einem Praxislabor können jedoch Einnahmen aus ästhetischen Leistungen und Vorträgen zusammentreffen und in Summe eine Umsatzsteuerpflicht für diese Bereiche zur Folge haben – vorausgesetzt, die Grenzbeträge der Kleinunternehmerregelung werden überschritten.

 

Wahlrecht

Es gibt ein Wahlrecht: Wird die Umsatzgrenze der Kleinunternehmerregelung nicht erreicht, kann der Zahnarzt freiwillig entscheiden, am Umsatzsteuerverfahren mit Vorsteuerabzug teilzunehmen. Dieser Schritt ist intensiv mit dem Steuerberater zu überlegen, da der Zahnarzt fünf Jahre daran gebunden ist. In einer Zahnarztpraxis werden die Leistungen an Patienten als Privatpersonen erbracht, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, wodurch die Umsatzsteuer eher eine wirtschaftliche Belastung darstellt.

 

Rechnung bei Kleinunternehmerregelung

Wer als Zahnarzt der Kleinunternehmerregelung unterliegt, weist weder auf der Honorarrechnung, einem Materialbeleg noch einer Praxislaborrechnung Umsatzsteuer aus. In den Stammdaten der Praxis-EDV kann bei der Formularverwaltung im Rechnungsformular ein Hinweis verankert werden, dass keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird, da § 19 UStG (Kleinunternehmerregelung) angewandt wird. Somit erkennt jeder Rechnungsempfänger, dass der Umsatzsteuerausweis nicht vergessen wurde.

 

Rechnung bei Umsatzsteuerpflicht

Wenn steuerpflichtige Leistungen oberhalb der Kleinunternehmerregelung erbracht werden (z. B. durch Einnahmen aus Bleaching, Vorträgen und Praxislabor), ist der Zahnarzt kein Kleinunternehmer mehr und muss das Umsatzsteuerverfahren anwenden. Die Umsatzsteuer muss auf den Rechnungen mit dem richtigen Steuersatz ausgewiesen und an das Finanzamt abgeführt werden. Dabei wird bei umsatzsteuerpflichtigen Praxislaborleistungen entsprechend den Vorgaben von § 12 UStG der reduzierte Satz von 7 Prozent, bei allen anderen 19 Prozent Umsatzsteuer ausgewiesen.

 

Dazu ein Auszug aus § 12: „(1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 Prozent der Bemessungsgrundlage (§§ 10, 11, 25 Abs. 3 und § 25a Abs. 3 und 4). (2) Die Steuer ermäßigt sich auf 7 Prozent für die folgenden Umsätze: 6. die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker sowie die in § 4 Nr. 14 Buchstabe a Satz 2 bezeichneten Leistungen der Zahnärzte …“.

 

Im Gegenzug kann die Vorsteuer, die zum Beispiel an den Lieferanten für das Bleaching- oder Praxislabormaterial bezahlt wird, von der zu zahlenden Umsatzsteuer abgezogen werden. Das ist der „Vorsteuerabzug“.

 

Beispiel

Das folgende Beispiel verdeutlicht die Vorgehensweise bei einem umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor:

 

  • Rechnung eines Implantatherstellers an den Zahnarzt
Artikel
Anzahl
Euro

Laboranalog

1

32,00

Sekundärteil gerade

1

99,00

Kunststoffkappe

1

25,00

Porto- und Verpackungskosten

1

5,00

Zwischensumme

161,00

19 % MwSt.

30,59

Gesamtbetrag

191,59

 

 

In der Rechnung des Herstellers sind 19 Prozent Umsatzsteuer enthalten. Hierbei handelt es sich um Einnahmen eines Händlers und nicht eines zahntechnischen Betriebs, sodass der Regelsteuersatz von 19 Prozent gilt. Hinweis: Die folgende zahntechnische Rechnung ist nicht komplett erfasst. Es geht nur darum, zu verdeutlichen, wie die Umsatzsteuer angewandt wird.

 

  • Rechnung Praxislabor für Patient
Nr.
Menge
Bezeichnung
Einzel-preis/Euro
Material
Euro
Leistung Euro

2,00

Modell aus Superhartgips

7,75

15,50

1,00

Offener Individueller/Funktionslöffel für Implantat

34,80

1,00

Spezialmodell/Implantatmodell

27,50

1,00

Laborimplantat reponieren

13,40

1,00

Implantataufbau auf Modellimplantat aufschrauben

6,95

1,00

Zahnfleischmaske, je Einheit

16,80

1,00

Modellmontage Mittelwert I

15,35

1,00

Krone gegossen für Keramik-Vollverblendung

82,50

1,00

Vollverblendung Keramik

114,30

Weitere Honorar- und Materialleistungen …

1,00

Laborimplantat

32,00

1,00

Sekundärteil gerade

99,00

1,00

Kunststoffkappe

25,00

1,00

Porto- und Versandkosten

5,00

2,30

Legierung

91,08

Summe Leistung

327,10

Summe Metall

91,08

Summe Zähne

Summe Fertigteile/Material

161,00

Gesamtsumme

579,18

+ 7 % MwSt.

40,54

Rechnungsendbetrag

619,72

 

 

In einem umsatzsteuerpflichtigen Praxislabor werden die zahntechnischen Implantatmaterialien und die Porto- und Verpackungskosten in der EDV mit den Nettobeträgen aus der Herstellerrechnung aufgenommen. Sowohl bei den Honorarleistungen, den Materialkosten als auch den Porto- und Versandkosten wird der reduzierte Mehrwertsteuerbetrag von 7 Prozent ausgewiesen (siehe § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG). Dieser Sachverhalt ist für viele Praxen mit umsatzsteuerpflichtigem Praxislabor schwer verständlich, da die Implantatteile an den Hersteller mit 19 Prozent Umsatzsteuer bezahlt werden müssen.

 

Doch genau hier greift der Vorsteuerabzug. Der Steuerberater wird von der Praxislaborrechnung 40,54 Euro im Rahmen der Umsatzsteuererklärung an das Finanzamt überweisen, kann zuvor jedoch von der Herstellerrechnung den Betrag in Höhe von 30,59 Euro von der Umsatzsteuerschuld abziehen. Es geht somit keine Mehrwertsteuer – 19 Prozent auf der Rechnung des Herstellers zu 7 Prozent auf der Rechnung des Praxislabors – verloren.

Einheitliche Anwendung

Die Kleinunternehmerregelung muss einheitlich angewandt werden. Steuerrechtlich ist es nicht gestattet, für das Schreiben eines Fachbeitrags für eine Zeitschrift Umsatzsteuer auszuweisen, um wiederum den Vorsteuerabzug bei einem erworbenen Fachbuch gegenüber dem Finanzamt geltend zu machen, aber gleichzeitig die Einnahmen aus dem Praxislabor umsatzsteuerfrei zu behandeln. Alle umsatzsteuerpflichtigen Einnahmen werden addiert und dann auf Stimmigkeit bezüglich der Kleinunternehmerregelung geprüft. In der EDV kann die Umsatzsteuer im Praxislabor voreingestellt werden, so- dass entweder immer oder nie die 7-prozentige Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Diese Voreinstellung sollte bei Praxen mit umsatzsteuerpflichtigem Praxislabor auf „7 Prozent“ gesetzt werden, damit nicht beim Erstellen jeder Rechnung per Hand die 7 Prozent aktiviert werden muss.

 

PRAXISHINWEIS | Zwar kann ein Steuerberater darüber informieren, wenn sich der Zahnarzt mit seinen umsatzsteuerfreien Umsätzen der Höchstgrenze nähert. Dafür muss er aber nicht nur über alle Praxiseinnahmen, sondern auch über alle weiteren gewerblichen oder beruflichen Tätigkeiten und Umsätze informiert sein. Weil viele Zahnärzte diese Informationen – meist unwissentlich – nicht weitergeben, mehren sich die Fälle, in denen im Rahmen einer Betriebsprüfung durch Kontrollmitteilungen andere Umsätze bekannt werden, die dann zusammen die Kleinunternehmerregelung sprengen. Die Folge: Diese Umsätze werden nachträglich der Umsatzsteuer unterworfen. Der jeweilige Umsatzsteuerbetrag wird herausgerechnet und muss an das Finanzamt gezahlt werden.

 

Da die meisten Leistungsempfänger Privatpersonen (Patienten) sind, ist es fast unmöglich, die Umsatzsteuer nachträglich in Rechnung zu stellen. In solchen Fällen besteht nur noch die Möglichkeit des anteiligen Vorsteuerabzugs, um die Umsatzsteuerschuld zu minimieren.

 

 

Weiterführender Hinweis

  • Umsatzsteuerbefreite Leistungen im Rahmen der Zahnheilkunde wurden im März vorgestellt. Weitere Beispiele für Praxen mit bzw. ohne Umsatzsteuerpflicht folgen im Mai.