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02.01.2012·Zahnmedizin Aktuelle Trends vom DGI-Kongress in Dresden

·Zahnmedizin

Aktuelle Trends vom DGI-Kongress in Dresden

von Wolfgang Schmid, Schriftleiter „Zahnmedizin Report“, Berlin

| Der 25. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) beleuchtete den aktuellen Stand der Implantologie. Ein kurzer Überblick. |

Implantat-Kronenverhältnis: Auch über 1:1 beherrschbar

Bei zahngetragenem Zahnersatz beeinflusst das Kronen-Wurzel-Verhältnis dessen Überlebensrate, so dass hier traditionell ein minimales Kronen-WurzelVerhältnis von 1:1 bei Brückenversorgungen empfohlen wird. Längenverhältnisse kleiner als 0,8 galten dabei als günstige Voraussetzung für eine geringe Biegebeanspruchung des Implantats. Eine wissenschaftliche Validierung dieser Empfehlungen anhand klinischer Studien existiert jedoch bis heute nicht, erläuterte Prof Dr. Matthias Kern aus Kiel. Klinische Studien zeigen, dass die Verankerungsqualität im Knochen für lange Einzelzahnkronen im Seitenzahnbereich bei kurzen Implantaten (≤ 8,0 mm) mit konventionellem Durchmesser (≤ 4,5 mm) ausreicht, schilderte auch Dr. Paul Weigl aus Frankfurt.

 

Ein Adaptionsmechanismus der Knochentrabekel kann als ein Erklärungsmodell dienen – eine zunehmende Trabekeldichte und -anzahl bei hoher Belastung kompensiert das verkleinerte Oberflächenangebot des Implantats gegenüber dem Knochen. Zudem sind kurze Implantate mit dem Potential, keinen crestalen Knochen zu verlieren, von Vorteil. Bei einer reduzierten Primärstabilität soll eine temporäre Infraokklusion (etwa 6 Wochen lang) die Verankerungsqualität im Knochen verbessern und vor initialer Überbelastung schützen. Sofortbelastungsprotokolle sind nicht zu empfehlen. Die Verblockung mehrerer benachbarter kurzer Implantate ist für den temporären Zahnersatz von Vorteil, für die endgültige Versorgung aber nicht erforderlich.

Durchmesser-reduzierte Implantate

Ohne knochenchirurgische oder augmentative Maßnahmen soll es bei der Anwendung dünner Implantate gehen. Diese Implantate mit Durchmessern zwischen 3 und 3,5 mm neigen jedoch zu erhöhter Bruchgefahr. Leider gibt es bislang nur wenige Studien. Über eine doppelblinde randomisierte Untersuchung mit 91 Patienten berichtete Prof. Dr. Dr. Bilal Al Nawas aus Mainz: Hier kamen neben konventionellen Titanimplantaten dünne Implantate aus einer Titan-ZirKon-Legierung zum Einsatz. Die Erfolgsraten waren ein Jahr nach der Behandlung vergleichbar zu den normaldimensionierten Implantaten. In den vorderen Kieferbereichen können dünne Implantate selbst dann noch eingesetzt werden, wenn der Kieferknochen eigentlich aufgebaut werden müsste.

Platform-Switching gegen Periimplantitis

Das Konzept des Platform-Switching, bei dem das Abutment einen gegenüber dem Implantat geringeren Durchmesser aufweist, führt zu einer horizontalen Distanzierung des Mikrospalts vom periimplantären Knochen. Zahlreiche Studien wiesen auf mögliche Vorteile dieser Technik hin, da unter anderem ein größerer Bereich für die Weichgewebeanlagerung zur Verfügung steht, die Distanz für das innere Saumepithel bis zum ersten Knochenkontakt verlängert und möglicherweise auch die biomechanische Knochenreaktion verbessert wird. Klinisch interessant erscheinen auch Indikationen, bei denen die Implantate enger nebeneinander stehen und so der Abstand zwischen den Aufbauteilen erhöht werden kann, betont Dr. Sönke Harder aus Kiel.

 

Nach heutigem Kenntnisstand weist das Platform-Switching im Vergleich zu formkongruenten Aufbauteilen keine Nachteile auf. Die bisher zur Verfügung stehenden Daten deuten nur auf mögliche Vorteile bei den krestalen Knochenumbauvorgängen hin, bekräftigte Prof. Dr. Jürgen Becker aus Düsseldorf.

Bonesplitting mit simultaner Implantation dünner Implantate

Dr. Rainer Gettmann aus Saarbrücken beschrieb ein vielversprechendes minimalinvasives Behandlungskonzept für den schmalen Unterkiefer mit dem Vorteil des einzeitigen operativen Vorgehens und der kurzen Behandlungsphase von etwa vier Monaten: Bei Patienten mit Kieferkammbreite von 3 bis 5 mm ohne Kieferkammhöhenverlust wurde nach einer ausschließlich crestalen Aufklappung piezochirurgisch eine sagittale Kieferschlitzung durchgeführt. Durch Dehnung mit Knochenspreizern gelang eine Verbreiterung des Kieferkamms im crestalen Bereich von durchschnittlich 3 mm und die Möglichkeit der direkten Aufnahme eines Implantats. Inseriert wurden konische, einteilige Fairone®-Implantate mit 3,5 mm Durchmesser und 10 bis 13 mm Länge.

 

Nach vier Monaten Einheilzeit wurden die Implantate prothetisch versorgt. Bei hoher Primärstabilität trat in keinem Fall ein Implantatverlust auf. Röntgenologische Verlaufskontrollen zeigten keine auffälligen knöchernen Defekte. Es zeigten sich keine erhöhten periimplantären Taschentiefen sowie keine signifikanten Unterschiede in den buccalen bzw. lingualen oder mesial bzw. distalen Messbereichen. Langzeitstudien über das Verfahren fehlen noch.

Mehr auf Geschlecht, Konstitution und Hormonstatus achten

Eine Berliner Studie zeigt, dass den geschlechtsspezifischen, hormonellen und konstitutionellen Aspekten in Zukunft mehr Beachtung entgegengebracht werden muss. So sollten diese Gesichtspunkte intensiver auch bei der Indikationsstellung implantologischer Eingriffe diskutiert werden.

 

Es gibt zwischen Männern und Frauen Unterschiede im regenerativen Verhalten dahingehend, dass die Knochenneubildung bei Männern stärker abläuft. Eine stark verzögerte Knochenneubildung wird insbesondere bei älteren Frauen häufiger beobachtet als bei älteren Männern. Analog den Daten aus der orthopädischen Chirurgie zeigt sich auch in der vorgestellten Studie, dass mit steigendem Body Mass Index (BMI) die Knochenneubildung beschleunigt wird. Die Hypothese, dass mit einem niedrigen (pathologischen) sexualhormon bindendem Protein (SHBG) regenerative Prozesse verzögert werden, kann ebenfalls bestätigt werden, so Dr. Dr. Michael Stiller aus Berlin.