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05.07.2011 |Zahnmedizin Das Berner Konzept für eine umfassende Parodontitis-Therapie

05.07.2011 |Zahnmedizin

Das Berner Konzept für eine umfassende Parodontitis-Therapie

von Dr. med. dent. Giedre Matuliene, MAS (Bern), Fachzahnärztin für Parodontologie, Praxis Dr. Thomsen & Partner, Hamburg

Implantate haben sich in den letzten Jahrzehnten als eine sehr erfolgreiche Therapie durchgesetzt. Sie sind aber leider empfänglich für eine Entzündung um das Implantat, die Periimplantitis, die zum Implantatverlust führen kann. Patienten mit Parodontitis sind auch nach erfolgreicher Behandlung für Periimplantitis anfälliger als parodontal gesunde Patienten. Um die biologischen Komplikationen von Implantaten zu vermeiden, stellt daher die Parodontitis-Therapie vor Implantation eine „conditio sine qua non“ dar. 

 

Außerdem ist die Auseinandersetzung, ob Implantate besser als eigene Zähne sind, sehr aktuell. Laut einer Review beträgt die Überlebenschance eines parodontal gesunden Zahnes 99,5 Prozent in 50 Jahren. Selbst wenn der Zahn eine Parodontitis hat, aber erfolgreich behandelt und in ein Erhaltungstherapieprogramm aufgenommen wird, sinkt die Überlebenschance in 50 Jahren nur auf 92 bis 93 Prozent. Im Gegensatz dazu liegt die Überlebensrate von Implantaten nach zehn Jahren zwischen 82 und 94 Prozent.  

Die Bestimmung der Behandlungsstrategie

In erster Linie sollten die Parodontitis-Patienten mit dem Ziel behandelt werden, die Zähne zu erhalten. Falls die Zähne dennoch verloren gehen und durch Implantate ersetzt werden müssen, ist die folgende Behandlungsstrategie zu empfehlen: 

 

Für die schnelle Beurteilung der parodontalen Situation eines jeden Patienten und für die Bestimmung der Behandlungsstrategie ist der „Parodontale Screening-Index“ (PSI) erforderlich. Die Patienten mit Code 0 bis 2 stellen die Mehrheit in der Praxis dar und ihre Probleme können mit prophylaktischen Maßnahmen behoben werden. Danach kann die Implantation erfolgen. Code 3 bis 4 (Sondierungstiefen über 3,5 mm) sowie die mit (*) markierten Befunde (Zahnbeweglichkeit, Furkationsbeteiligung usw.) zeigen die Beschädigung der Parodontal-Gewebe des Patienten, die weiter detailliert untersucht, diagnostiziert und kuriert werden müssen, bevor man implantieren kann. Manchmal ist eine Überweisung von Patienten mit Code 3 und 4 an den Spezialisten für Parodontologie empfehlenswert.  

Die Untersuchung und der Behandlungsplan

Die Aufnahme des Parodontalstatus – also die Bestimmung der Sondierungstiefen und Aufzeichnen des Attachmentniveaus an sechs Stellen des Zahnes sowie die Registrierung des Blutens auf Sondieren (BOP), des Furkationsbefalls und des Zahnbeweglichkeitsgrades – ist eine sehr empfindliche Untersuchungsmethode mit einigen falsch-positiven und wenigen falsch-negativen Messfehlern. Im Gegensatz dazu ist die radiologische Untersuchung eine sehr spezifische Methode mit wenigen falsch-positiven Ergebnissen. Daher ist eine Kombination von beiden Methoden empfehlenswert.  

 

Vor der Ausarbeitung des Behandlungsplans empfiehlt es sich, den Wert jedes Zahnes einzuschätzen und die nötige Behandlung zu definieren, das heißt eine prätherapeutische Einzelzahnprognose zu erstellen. Kriterien dafür sind der parodontale, dentale, endodontische und funktionelle Zustand der Zähne. Die Beurteilung erfolgt unter Zuhilfenahme der Röntgenbilder und des Parodontalstatus.  

 

Zudem müssen strategische Aspekte (zum Beispiel die Pfeilerverteilung für die zukünftige prothetische Versorgung), anatomische Eigenschaften sowie die Langzeitprognose und nicht zuletzt der Wunsch des Patienten in Betracht gezogen werden. Vor allem muss man versuchen, die sogenannten „Schlüsselzähne“, deren Verlust eine Kettenreaktion von therapeutischen Maßnahmen auslösen, zu erhalten. Anschließend wird der Behandlungsplan ausgearbeitet.  

 

Die Behandlung des Patienten enthält die folgenden Phasen: 

1. Systemische Phase

Hier sind gesundheitliche Fragen zu klären: Krankheiten, Antibiotikaprophylaxe, Blutverdünnungsmittel usw. Auch ist der Versuch einer Rauchentwöhnung vorzunehmen. 

2. Nicht-chirurgische Phase

Es ist die wichtigste, anspruchsvollste und für viele Patienten einzig nötige Phase der gesamten PAR-Behandlung. Das Ziel ist die Behandlung von Karies und Gingivitis und das Stoppen der weiteren Destruktion von parodontalem Gewebe durch die Elimination der Ursachen. Die folgenden Behandlungsschritte sind erforderlich: 

 

  • Motivation des Patienten und Besprechung des Behandlungsplans: Der Patient wird über die zu erwartenden Behandlungsschritte und deren Indikationen, Risiken und Erfolgsaussichten sowie die Bedeutung der geplanten Parodontalbehandlung informiert und auf die Bedeutung seiner Mitarbeit hingewiesen.
  • Mundhygieneinstruktion: Dafür wird der Plaque angefärbt und Plaque Index – nach O’Leary – bestimmt.
  • Behandlung offener Kariesläsionen/überhängender Füllungen
  • Systematische Entfernung von supra- und subgingivalem Zahnstein durch Scaling und Wurzelglätten unter Lokalanästhesie. Handküretten und Ultraschallgeräte können verwendet werden.
  • Extraktion der „nicht erhaltungswürdigen“ Zähne
  • Anfertigung der provisorischen Restaurationen zur Wiederherstellung der Kaufunktion (falls nötig)
  • Re-Evaluation nach sechs bis zwölf Wochen: erneuter Parodontalstatus, BOP und Plaque-Indices werden registriert.

 

Die systematische Entfernung von supra- und subgingivalem Zahnstein durch Scaling und Wurzelglätten mit optimaler Mundhygiene des Patienten unabhängig von den Ausgangssondierungstiefen ist eine sehr erfolgreiche Therapie, um die Zahnfleischentzündung, die Sondierungstiefen und sogar die Wahrscheinlichkeit für den Zahnverlust zu reduzieren. In den meisten Fällen kann die Parodontitis ohne zusätzliche Gabe von Antibiotika erfolgreich behandelt werden. 

 

Das Ziel nach der Initialtherapie ist es, keine Sondierungstiefen über 5 mm mit Bluten auf Sondieren vorzufinden, weil diese ein Risiko für die weitere Progression von Parodontitis und Zahnverlust sowie für das Auftreten einer Periimplantitis darstellen. Daher sind Taschen über 5 mm mit Blutung als unbefriedigendes Behandlungsresultat zu betrachten und müssen weiter chirurgisch behandelt werden. Die Patienten mit schlechter Mundhygiene (bei einem O‘Leary-Index über 30 Prozent) erhalten keine Chirurgie, da die Behandlungsresultate in solchen Fällen schlechter sind als gar keine Therapie.  

3. Korrektive Phase

Im chirurgischen Teil werden Lappenoperationen zur Entfernung von restlichem Zahnstein, der Infektionsnischen, die Anpassung der Morphologie der Parodontalgewebe für optimale individuelle Plaquekontrolle oder die Regeneration von verloren gegangenen Parodontalgewebe durchgeführt. Somit werden die restlichen Taschen und die Entzündung eliminiert. Erst jetzt dürfen Implantate gesetzt werden. Im rekonstruktiven Teil werden Rekonstruktionen auf Zähnen und/oder Implantaten angefertigt. Dabei ist besonderer Wert auf die gute Hygienefähigkeit des Zahnersatzes zu legen.  

4. Erhaltungsphase

Um die parodontale und periimplantäre Situation nach der aktiven Behandlung langfristig stabil und gesund zu erhalten, wird der Patient in den Recall aufgenommen. Schwerpunkte während der Recall-Sitzung sind die regelmäßige Nachdepuration an Stellen mit Sondierungsbluten und Sondierungstiefen von ≥ 4mm, das Monitoring der periimplantären Gewebe, die Motivation und Reinstruktion der persönlichen Mundhygiene sowie die Kariesprophylaxe. 

 

Weiterführender Hinweis

  • Eine Literaturliste zu diesem Beitrag erhalten Sie im Online-Service von „Praxis Implantologie“ unter der Rubrik „Zahnmedizin“.