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06.06.2011 |Haftungsrecht Komplikationen beim Materialeinsatz in der Praxis: Haftungsrechtliche Aspekte

06.06.2011 |Haftungsrecht

Komplikationen beim Materialeinsatz in der Praxis: Haftungsrechtliche Aspekte

von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, Kanzlei RöverBrönner, Berlin, www.roeverbroenner.de

Wie sind die Haftungsrisiken zwischen Herstellern von Medizinprodukten und den sie verwendenden Ärzten verteilt? Haftet ein Zahnarzt zum Beispiel, wenn er – wissentlich oder unwissentlich – einen Implantataufbau einer anderen Firma einsetzt als den des Implantatherstellers (z.B. ein Plagiat) und es daraufhin zu Problemen kommt, sodass eine Neuversorgung erforderlich wird? Haftet der Zahnarzt, der Implantathersteller, der Hersteller des Plagiats oder das Labor? Diese Fragen sollen nachfolgend beantwortet werden.  

Wer haftet unter welchen Voraussetzungen?

Haftungsrechtliche Verantwortlichkeit kann an verschiedene Voraussetzungen anknüpfen. Was einem Hersteller bei der Entwicklung oder Verbreitung eines Produkts vorwerfbar sein kann, muss für den Zahnarzt und dessen konkrete Behandlung nicht gleichermaßen haftungsbegründend wirken; möglicherweise ergibt sich die Haftung des Zahnarztes im selben Behandlungskontext aber aus einem anderen Aspekt:  

 

So haftet der Hersteller eines Produkts – zum Beispiel eines Implantats – für Produktfehler nach den speziellen Vorschriften des Produkthaftungsgesetzes (ProdHaftG) und zusätzlich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (sogenannte Produzentenhaftung). Die Haftung nach dem ProdHaftG setzt im Gegensatz zu den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften kein Verschulden voraus. Ein Hersteller haftet aber nicht für Konstruktionsfehler; eine Haftung scheidet danach aus, wenn ein Produktfehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens „nach dem Stand der Wissenschaft und Technik“ noch nicht erkannt werden konnte. Ein Zahnarzt haftet dagegen regelmäßig weder nach dem ProdHaftG noch als Produzent.  

 

Eine – strafrechtliche – Verantwortlichkeit kann sich jedoch für Hersteller und Zahnarzt gleichermaßen zum Beispiel aus dem Medizinproduktegesetz (MPG) ergeben. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1 MPG ist zum Beispiel sowohl das Inverkehrbringen als auch die Anwendung von Medizinprodukten strafbar, wenn der Verdacht besteht, dass diese „die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter bei sachgemäßer Anwendung, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden“.  

Zusätzliche Aufklärung bei „Neulandmethoden“

Allein der Zahnarzt wiederum haftet dem Patienten gegenüber dafür, dass die gewählte Therapie dem zum Behandlungszeitpunkt geltenden Standard entspricht. Will der Arzt sogenannte „Neulandmethoden“ anwenden, so hat er – zusätzlich – ausdrücklich darüber aufzuklären, dass möglicherweise noch unbekannte Risiken existieren (Bundesgerichtshof im Urteil vom 13. Juni 2006, Az: VI ZR 323/04, Fall „Robodoc“).  

Zahnarzt haftet für Fehler des von ihm beauftragten Labors

Das von einem Zahnarzt beauftragte Dentallabor wird regelmäßig als dessen vertraglicher Erfüllungsgehilfe tätig, weshalb der Zahnarzt sich dessen Fehler auch zurechnen lassen muss.  

 

Ist ein Medizinprodukt fehlerhaft, weil zum Beispiel die Zusammensetzung eines Implantats bekanntermaßen gesundheitsschädliche Substanzen enthält, so wird der geschädigte Patient den Hersteller auf der Grundlage des ProdHaftG und nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung in Anspruch nehmen können. War die Materialzusammensetzung zudem auch dem Zahnarzt bekannt, wird er dem Patienten ebenfalls aus dem Behandlungsvertrag haften.  

 

Hat nicht der Zahnarzt selbst, sondern das von ihm eingeschaltete Labor die Materialien ausgesucht und verwendet, so hat sich der Zahnarzt die Fehler des Labors als eigene zurechnen zu lassen. Dennoch ist auch das Labor in der Verantwortung: Es haftet dem Patienten gegenüber zwar nicht vertraglich, ggf. aber nach den zivilrechtlichen Grundsätzen der unerlaubten Handlung. 

 

Aus der Existenz verschiedener Haftungskreise ergibt sich also, dass ein Patient Ansprüche – mit jeweils ggf. unterschiedlichen Haftungsvoraussetzungen – gegen mehrere potenzielle Haftungsschuldner verfolgen kann. 

Haftung zudem von Umständen des Einzelfalls abhängig

Wann eine Haftung zu Lasten des Zahnarztes anzunehmen ist, kann je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedlich zu beurteilen sein. Dazu ein Beispiel: Setzt ein Zahnarzt Zahnersatz-Konstruktionen auf Implantate und behauptet der Patient, darauf allergisch zu reagieren, so ist dem Zahnarzt das Unterlassen der Durchführung eines Allergietests vor Eingliederung nicht vorwerfbar, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für Unverträglichkeiten vorliegen (OLG Oldenburg, Urteil vom 28. Februar 2007 – Az: 5 U 147/05; Abruf-Nr. 072813). Wird allerdings zuvor ein Allergiepass vorgelegt, dann kann sich eine Pflicht zur Vornahme eines Tests ergeben (OLG Oldenburg, Urteil vom 4. Juli 2007, Az: 31/05).