02.01.2013·Kostenerstattung Die Sachkostenliste – Hintergründe und Musterschreiben zu Problemen bei der Kostenerstattung
·Kostenerstattung
Die Sachkostenliste – Hintergründe und Musterschreiben zu Problemen bei der Kostenerstattung
| Private Krankenversicherungen sehen in ihren Versicherungsbedingungen oftmals vor, dass im Rahmen von kieferorthopädischen und prothetischen Versorgungen die zahntechnischen Leistungen lediglich bis zu einer gewissen Grenze nach einer sogenannten Sachkostenliste erstattet werden. Unter einer Sachkostenliste ist dabei eine Liste zu verstehen, die zahntechnische Leistungsbeschreibungen und Fertigungskosten umfasst, deren Umfang und Preisgestaltung dabei allein der Krankenversicherung obliegt. In diesem Beitrag werden die rechtlichen Hintergründe der Sachkostenlisten und Reaktionsmöglichkeiten auf Kostenerstattungsprobleme aufgezeigt. |
Teils erhebliche Einschränkungen beim Versicherungsschutz
Sachkostenlisten werden über die allgemeinen Versicherungsbedingungen Bestandteil des jeweiligen Versicherungstarifs. Die Grundlagen für diese Einschränkungen beruhen auf dem zum 1. Januar 1998 weggefallenen und mit Wirkung zum 1. Januar 1999 wieder eingeführten „Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis zahntechnischer Leistungen“ (BEL). Die Patienten sind selten im Detail über diese Sachkostenlisten und die finanziellen Folgen (Höhe des Eigenanteils bei der Laborkostenrechnung abzüglich der erstattungsfähigen Kosten nach Sachkostenliste) informiert, was zu stetem Unmut in den Praxen führt und den Zahnarzt oftmals als Sündenbock darstellt.
Die Sachkostenlisten schränken den Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers zum Teil ganz erheblich ein. Sie berücksichtigen nicht den konkreten Aufwand für die erbrachte Leistung und weichen damit vom Grundsatz ab, dass die angemessenen Heilbehandlungskosten zu erstatten sind. Diese werden nach allgemein anerkannter Rechtsprechung für den Einzelfall unter Berücksichtigung der speziellen Art und Ausführung der Leistung beurteilt. Sachkostenlisten enthalten nicht näher überprüfbare Durchschnittspreise, die den konkreten Aufwand einer Arbeit nicht berücksichtigen. Bereits aus diesem Grunde bedeuten sie eine Einschränkung des Versicherungsschutzes, der vom Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluss meist nicht in seinen Auswirkungen erkannt wird und erhebliche Erstattungskürzungen bezüglich der Material- und Laborkosten zur Folge hat.
Zahnarzt und -techniker nicht an Sachkostenliste gebunden
Weder der Zahnarzt noch der Zahntechniker sind an die Vorgaben einer Sachkostenliste gebunden. Es gibt keine rechtliche Grundlage für einen Zahntechniker, seine Leistungen nach einem derartigen Preis-Leistungs-Diktat zu erbringen und zudem für die unterschiedlichen Sachkostenlisten alle Ziffern, Leistungen und Preise individuell in der Labor-Software manuell einzugeben. Wie im Handwerk üblich werden die Preise für die erbrachten Leistungen betriebswirtschaftlich vom Inhaber kalkuliert und richten sich nach Aufwand, Qualität, Präzision, Ausstattung des Betriebs, Mitarbeiterstruktur und -qualifikation sowie weiteren Kriterien. Eine Sachkostenliste sollte daher weder von der Praxis noch vom Dentallabor akzeptiert werden.
Die Rechtsprechung zu Sachkostenlisten
Die private Krankenversicherung kann eine Abrechnung auf dieser Grundlage nur vornehmen, wenn die Sachkostenliste Bestandteil des Versicherungsvertrages ist. Mit Datum vom 1. Juli 1998 hat die AXA Colonia als Erste eine Sachkostenliste für zahntechnische Leistungen eingeführt. In ihrer „Information zur Sachkostenliste“ hieß es: „Die Liste bezeichnet abschließend die Leistungen, die von einem Zahnarzt/einer Zahnärztin oder einem zahntechnischen Labor als Sachkosten gemäß § 9 GOZ erbracht werden und im Rahmen des Versicherungsschutzes erstattungsfähig sind.e“
Das Landgericht Köln entschied seinerzeit folgenden Fall: Ein Patient erhielt eine zahnärztliche Behandlung, bei der insgesamt Laborkosten in Höhe von rund 6.500 Euro anfielen. Mit Verweis auf eine bestehende Sachkostenliste lehnte die Krankenversicherung die Regulierung mit einen Kostenanteil von rund 2.700 Euro ab, so dass der Patient eine Klage gegen seine Krankenversicherung (AXA Colonia) einreichte. Im erstinstanzlichen Urteil teilte das LG Köln mit Urteil vom 29. September 2004 (Az. 23 S 42/04; Abruf-Nr. 042782) mit, dass die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegende Sachkostenliste als „unklar und intransparent“ und somit letztlich als „unwirksam“ gelte. Sie würde auf der sogenannten BEL-Liste beruhen, auf deren Grundlage nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht abgerechnet werden dürfte.
Bundesgerichtshof: Sachkostenliste ist transparent und damit gültig
Die Üblichkeit erstattungsfähiger Preise nach den Maßstäben der BEL-Liste auszurichten, verkenne die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung – so das LG Köln. Allerdings hatte der Patient seinen Versicherungsvertrag nach dem 1. Juli 1998 abgeschlossen, so dass die Sachkostenliste Bestandteil des Versicherungstarifs war. Wegen der großen Bedeutung der Streitfrage ließ das LG Köln die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu, was von der AXA Colonia in Anspruch genommen wurde. Mit Urteil vom 18. Januar 2006 (Az. IV ZR 244/04; Abruf-Nr. 060628) stellte der BGH fest, dass die Sachkostenliste transparent und daher wirksam ist.
Der BGH ging davon aus, dass sich der Umfang des Versicherungsschutzes allein aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag, den allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie den ergänzenden Tarifen und Tarifbedingungen ergebe. Auch wenn die BEL-Liste möglicherweise als Vorbild für die Sachkostenliste der beklagten Versicherung gedient habe, sei allein die über den gewählten Tarif geltende Sachkostenliste maßgeblich. Eine Intransparenz lag nicht vor, da die Versicherungsbedingungen und die entsprechende Sachkostenliste für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer den versprochenen Versicherungsschutz und damit möglicherweise verbundene wirtschaftliche Nachteile und Belastungen erkennen ließ. Die Frage nach der Anpassung der Leistungsinhalte an den medizinisch-technischen Fortschritt war nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens.
Kein Heranziehen von GKV-Regelungen – wie die BEL-Liste
Der BGH hat ebenso klar unterstrichen, dass die privaten Krankenversicherungen nach ihren eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihrem eigenen Vertragszweck zu beurteilen sind. Hingegen dürfen für die Prüfung der Erstattungspflicht nicht Regelungen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung – wie etwa insbesondere die BEL-Liste – herangezogen werden. Zitat: „Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihren anderen Leistungsvoraussetzungen insoweit keinen tauglichen Maßstab für die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung unangemessen benachteiligt wird.“
Mindestmaß: 20 Prozent über dem Leistungsniveau der BEL-Liste
Damit ist der alte Streit BEB/BEL höchstrichterlich entschieden. Im Ergebnis billigt der BGH die Sachkostenliste der AXA Colonia Krankenversicherung, da sie 20 Prozent über das Leistungsniveau der BEL hinausgeht.
Nicht entschieden ist, ob Sachkostenlisten anderer Versicherungen, die im Mittel nicht immer 20 Prozent über dem Leistungsniveau der BEL liegen, für wirksam erklärt würden. Im Zweifel ist zunächst davon auszugehen, dass 20 Prozent über dem Leistungsniveau das Mindestmaß darstellt. Im Ergebnis also hielt der BGH die Vereinbarung solcher Sachkostenlisten für rechtswirksam, auch wenn die Listen durch die BEL-Liste beeinflusst wurden.
Versuch der einseitigen Einführung in alle Verträge ist gescheitert
Der Versuch einer Versicherung, über einen Treuhänder die Sachkostenliste einseitig in alle Versicherungsverträge einzuführen, ist nach einem Urteil des BGH vom 31. Januar 2008 (Az. IV ZR 169/06; Abruf-Nr. 080770) nicht zulässig. Der BGH entschied, dass Klauseln in Versicherungsverträgen und in den allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam sind, die es dem Versicherer erlauben, mit Zustimmung eines Treuhänders die Bedingungen zu ändern.
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Name und Adresse der Versicherung Ihr Schreiben vom … Sehr geehrte/r Frau/Herr (Name Patient), Ihre Nachricht vom … habe ich erhalten. Dazu teile ich Ihnen Folgendes mit: Für die gemeinsam besprochene Therapie haben wir unter Abwägung von Alternativen einen entsprechenden Heil- und Kostenplan erstellt. Unterhalb der aufgeführten Maßnahmen ist die folgende Passage zu Ihrer Information abgebildet: „Die angefallenen geschätzten Laborkosten werden vom zahntechnischen praxiseigenen bzw. zahntechnischen Fremdlabor nach Arbeits- und Zeitaufwand, Schwierigkeit und individuellem Anspruchsniveau kalkuliert und weichen vom bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen (BEL II) bzw. etwaigen Sachkosten- oder Erstattungslisten privater Krankenversicherungen ab. Die geschätzten Laborkosten sind Grundlage und Bestandteil des Behandlungsvertrages.“ Sie sind mit mir einen Behandlungsvertrag eingegangen. Für die von mir erbrachten Leistungen und berechenbaren Materialien erhalten Sie eine Rechnung nach den Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ) und Zahnärzte (GOZ). Diese stellen Rechtsverordnungen der Bundesregierung dar, wobei die Rechnung von Ihnen zu begleichen ist. Mit Ihrer Krankenversicherung haben Sie einen Vertrag zur Absicherung von Krankheitskosten abgeschlossen, wofür Sie im Gegenzug einen monatlichen Beitrag leisten müssen. Je nach Umfang des Versicherungsschutzes übernimmt die Krankenversicherung Leistungen bei gesundheitlichen Schäden. Wenn Sie Ihre Krankenversicherung nach dem 1. Juli 1998 abgeschlossen haben, ist es sehr gut möglich, dass die sogenannte „Sachkostenliste“ Bestandteil Ihres Vertrages ist. Die Höhe der Versicherungsleistung ist dem jeweiligen Tarif angepasst. Hier habe ich keinerlei Handlungsbefugnis, da Sie Vertragspartner der Versicherung sind. Wenn Sie Ihren Versicherungsvertrag bereits vor dem 1. Juli 1998 abgeschlossen haben, darf der Versicherer nicht einseitig versicherungsvertragliche Bestimmungen zum Bestandteil Ihres Vertrages erklären. Sachkostenlisten können somit zu Lasten des Versicherten nicht wirksam für so genannte Altverträge eingeführt werden. Private zahntechnische Kosten werden von unserem Dentallabor nach der Bundeseinheitlichen Benennungsliste in Rechnung gestellt. Wenn Ihre Versicherung die Ansicht vertritt, dass lediglich „marktorientierte Werte“ erstattet werden und diese in der Sachkostenliste abgebildet sind, ist dies nur maßgeblich, wenn sie Erstattungsgrundlage für Ihren Versicherungsanspruch ist. Ihre Krankenversicherung ist eine Schadensversicherung, die den „Schaden“ – also die Wiederherstellung Ihrer Gesundheit – so klein wie möglich halten möchte. Die Nichterstattung bzw. Leistungseinschränkung ist ein rein versicherungsinterner Vorgang, auf den ich keinen Einfluss habe und der auf die Rechtmäßigkeit der Rechnungslegung keine relevanten Auswirkungen hat. Gegenüber dem behandelnden Zahnarzt entfalten Sachkostenlisten keinerlei Rechtsbindung. Dieser bzw. das zahntechnische Labor sind nicht gehalten, sich an einer derartigen Sachkostenliste zu orientieren – es sei denn, der Patient wünscht ausdrücklich eine Leistung auf dem Niveau und zu den Preisen dieser Sachkostenliste. Dazu bedarf es jedoch einer ausdrücklichen vertraglichen Absprache zwischen Zahnarzt und Patient. Die geplante zahntechnische Arbeit wird in hoher Qualität und Präzision hergestellt und nach den angemessenen Kosten berechnet. Niemand versichert sich privat, um bei der Erstattung der Heilbehandlung lediglich nach den Kriterien der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zu erhalten. Sofern Ihnen aus dem Versicherungsvertrag keine einschränkenden Erstattungsregelungen bekannt sind, sollten Sie die durch Ihre Versicherung vorgenommene Erstattungskürzung auf keinen Fall akzeptieren und auf einer tarifgerechten Kostenübernahme bestehen. Prüfen Sie daher den Umfang Ihres Versicherungsvertrages oder wenden sich an Ihren Versicherungsmakler bzw. -agenten. Ich bedanke mich für Ihr Vertrauen und stehe Ihnen für die Klärung weiterer Fragen gern zur Verfügung. |
Weiterführender Hinweis
- Dieses Musterschreiben können Sie auch im Download-Bereich von PI (pi.iww.de) unter der Rubrik „Abrechnung“ aufrufen und in Ihrer Praxis verwenden.