10.01.2014·Kostenerstattung Erstattungspflicht: Abgrenzungsprobleme in Tarifen der privaten Krankenversicherung
·Kostenerstattung
Erstattungspflicht: Abgrenzungsprobleme in Tarifen der privaten Krankenversicherung
von Norman Langhoff, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-partner.de
| Die Möglichkeiten der modernen Zahnmedizin steigen stetig – und mit ihnen deren Kosten. Die Folgen spüren GKV- und PKV-Versicherte gleichermaßen: PKV-Versicherte müssen unter der Vielzahl der angebotenen Tarife den individuell geeignetsten wählen. GKV-Versicherte sind mit Blick auf das Festzuschuss-System gut beraten, eine Zahnzusatzversicherung abzuschließen. Hinsichtlich des Erstattungsumfangs steckt der Teufel jedoch im Detail. Mit den Abgrenzungsproblemen befasst sich dieser Beitrag. |
Kostenerstattung ergibt sich aus den Versicherungstarifen
Während sich Rechtsgrundsätze und allgemeine Fragen der Leistungspflicht des Versicherers vor allem im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und in den „Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung“ (MB/KK) finden, ergibt sich der Umfang der Kostenerstattung aus den jeweiligen Versicherungstarifen. Ob jedoch beispielsweise 75 oder 100 Prozent einer zahnärztlichen Maßnahme zu erstatten sind, ist eine Frage des im jeweiligen Tarif vereinbarten Umfangs des Versicherungsschutzes.
Abgrenzung zwischen Zahnbehandlung und Zahnersatz
Die Versicherungsbedingungen unterscheiden bei der Höhe der Kostenerstattung meist zwischen verschiedenen Komplexen (zum Beispiel Zahnbehandlung, Zahnersatz, Kieferorthopädie). Ob eine Maßnahme der „Zahnbehandlung“ oder aber dem „Zahnersatz“ zugehörig einzustufen ist, hat für den Versicherten wirtschaftlich große Bedeutung, denn für letztgenannte Leistungen ist der erstattungsfähige Anteil regelmäßig deutlich niedriger.
Die Systematik der GOZ ist nicht relevant
Festzustellen ist, dass für die Erstattungspflicht des Versicherers für Zahnbehandlungs- und Zahnersatzkosten nicht die Systematik der GOZ maßgeblich ist (wo implantologische und prothetische Leistungen in verschiedenen Abschnitten geregelt sind und somit „Zahnersatz“ einschränkend definiert werden könnte). Vielmehr sind es die jeweiligen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 7. Mai 1996, Az. 4 U 43/95).
Von der GOZ-Systematik kann im Versicherungsrecht abgewichen werden. Es ist laut OLG Düsseldorf zum Beispiel weder zu beanstanden, wenn nach den Versicherungsbedingungen „zu den Zahnersatz-Leistungen abweichend von der Systematik der GOZ das Einsetzen von Prothesen, Stiftzähnen, Brücken und Kronen gehören sollen“, noch wenn zu Zahnersatz-Leistungen die „hiermit in Zusammenhang stehende Vor- und Nachbehandlung“ zählt.
Beispiel aus den Vertragsbedingungen einer Versicherung
Eine Unterscheidung zwischen Zahnbehandlungs- und Zahnersatz-Kosten ist in den MB/KK zwar ebenfalls nicht enthalten, doch ergeben sich gemäß § 4 Abs. 1 MB/KK „Art und Höhe der Versicherungsleistung […] aus dem Tarif mit Tarifbedingungen“. Infolgedessen sind die in den Tarifen vorgesehenen Definitionen maßgeblich. In den Tarifbedingungen einer privaten Krankenversicherung wird zum Beispiel – auszugsweise – wie folgt differenziert:
„Erstattungsfähig sind die gemäß der jeweils gültigen Gebührenordnung berechneten Aufwendungen für folgende Leistungen der Zahnärzte zu x Prozent für Zahnbehandlung […], y Prozent für Zahnersatz.
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Können die Tarifbedingungen gerichtlich überprüft werden?
Für den Versicherungsnehmer ist sehr wichtig, welche Leistungen – zum Beispiel im Rahmen einer geplanten Implantatversorgung – (noch) „implantologische Leistungen“ sind. Damit stellt sich die Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Versicherungsbedingungen. Laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt, dass Leistungsbeschreibungen, die Art, Güte und Umfang der Hauptleistung festlegen, einer Inhaltskontrolle entzogen sind (BGH, Urteil vom 6. Februar 1985, Az. VIII ZR 61/84; BGH, Urteil vom 19. Mai 2004, Az. IV ZR 29/03, Abruf-Nr. 041841).
Für Risikobeschreibungen in Versicherungsverträgen gilt dies aber nur, soweit sie den Kernbereich des versicherten Risikos festlegen. Wird das Deckungsversprechen eingeschränkt, verändert oder modifiziert, so ist eine inhaltliche Prüfung möglich (BGH, Urteil vom 17. März 1999, Az. IV ZR 137/98: Beschränkung für psychotherapeutische Behandlungen auf 30 Sitzungen unwirksam). Die Möglichkeit einer gerichtlichen Inhaltsprüfung ist daher eher die Regel – aufgrund der Vielzahl der existierenden Versicherungstarife kann sie aber immer nur einzelfallbezogen erfolgen und lässt allgemeingültige Aussagen zu bestimmten Tarifbestimmungen kaum zu.
Die oben zitierte Klausel ist insofern versichererfreundlich gestaltet, als den genannten Zahnersatz-Maßnahmen – wie zum Beispiel Kronen – nicht nur „Implantate“, sondern weitergehend „implantologische Leistungen“ als Zahnersatz-Maßnahmen definiert werden. Denkbar wäre aber ein Angriff auf die Klausel unter dem Gesichtspunkt mangelnder Transparenz. Auslegungsmaßstab ist dabei immer das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherten ohne Spezialkenntnisse.