29.11.2012·Kostenerstattung Kostenübernahme für Implantatversorgung nur gegen ein „Negativ-Attest“?
·Kostenerstattung
Kostenübernahme für Implantatversorgung nur gegen ein „Negativ-Attest“?
von Norman Langhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht, RBS RoeverBroennerSusat, Berlin, www.rbs-legal.de
| Implantatbasierende prothetische Versorgungen stellen in der Regel nicht unbedingt die kostengünstigste Versorgungsvariante dar. Private Krankenversicherungen (PKVen) sind daher mit Erklärungen zur Kostenübernahme manchmal sehr zurückhaltend. Dieser Beitrag benennt Grenzen von Ablehnungen und zeigt Handlungsmöglichkeiten aus Patientensicht auf, deren Kenntnis für den Behandler bei der Beratung seines Patienten hilfreich ist. |
Der rechtliche Ausgangsbefund
Bei der Behandlung privat versicherter Patienten bestehen zwei separate Vertragsverhältnisse, die sich inhaltlich nicht überschneiden. Nur der Patient ist an beiden Vertragsverhältnissen beteiligt. Gegenüber dem Zahnarzt besteht der Behandlungsvertrag, der ihn zur Einforderung einer lege artis durchzuführenden Behandlung berechtigt, aber auch zur Vergütung der hierfür nach GOÄ und GOZ zu liquidierenden zahnärztlichen Leistungen verpflichtet.
Gänzlich ohne Einfluss auf den Behandlungsvertrag ist das zwischen Patient und dessen privatem Krankenversicherer bestehende Versicherungsverhältnis. Der Patient als Versicherungsnehmer erwirbt durch seine Prämienzahlungen einen Kostenerstattungsanspruch gemäß den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen gegen den Versicherer. Schuldner der Behandlungskosten gegenüber dem Zahnarzt ist allein der Patient. Um bereits vor Behandlungsbeginn Sicherheit über die Höhe der erstattungsfähigen Kosten zu erlangen, wird der Behandlungsplan im Patienteninteresse vorab dem Versicherer zur Einholung der Kostenübernahmeerklärung vorgelegt.
Darf die Kostenübernahme von der Alternativlosigkeit einer Implantatversorgung abhängig gemacht werden?
Wie nun ist die Situation zu beurteilen, wenn der Versicherer seinem Versicherungsnehmer auf Vorlage des beabsichtigten Behandlungsplans mitteilt, er möge bitte ein Attest einreichen, aus dem hervorgeht, dass andere ausreichende und zweckmäßige Behandlungsmaßnahmen außer der Versorgung mit einem Implantat nicht zur Verfügung stehen? Die Frage berührt das Spannungsverhältnis zwischen der Wirtschaftlichkeit und der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlungsmaßnahme und stellt sich in dieser Form nur im Rahmen einer Privatbehandlung. Sie ist im Ergebnis zu verneinen.
Umfang und Grenzen der „medizinischen Notwendigkeit“
Die Erstattungspflicht der PKV knüpft an die „medizinische Notwendigkeit“ der betreffenden Heilbehandlung an (§ 192 Abs. 1 VVG; § 1 Abs. 2 MB/KK). Dies eröffnet einen Behandlungskorridor, der in der Regel mehrere Behandlungsmethoden als medizinisch vertretbar erscheinen lässt. Das ist einerseits den Besonderheiten der Medizin und dem Fortschreiten ihrer Erkenntnisse und andererseits den Unsicherheiten bei der Diagnostik geschuldet.
Der Vertragszweck des Versicherungsvertrages wäre für den Versicherten nicht erreicht, wenn nicht alle aus ärztlicher Sicht vertretbaren Behandlungsmethoden und Behandlungsschritte abgedeckt wären, weil er sonst das Risiko dafür trüge, dass sich nach der Behandlung eine andere Methode als vorzugswürdig herausstellt. Erforderlich ist aber immer, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar ist, sie als notwendig anzusehen (ständige Rechtsprechung; vergleiche Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1986, Az. IVa ZR 78/85, und vom 12. März 2003, Az. IV ZR 278/01, Abruf-Nr. 030589 unter pi.iww.de).
Mit „medizinisch notwendiger Heilbehandlung” hat die PKV keine Beschränkung der Leistungspflicht auf die kostengünstigste Behandlung erklärt (siehe BGH-Urteil vom 12. März 2003). Die teurere Versorgungsvariante ist daher bei objektiver Vertretbarkeit genauso „notwendig“ wie die günstigere. Die medizinische Notwendigkeit ist somit nicht an eine Betrachtung unter Kostengesichtspunkten gebunden.
Der Versicherer ist jedoch zur Leistung dann nicht verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die Heilbehandlung oder sonstigen Leistungen im auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen stehen (§ 192 Abs. 2 VVG; sogenannte „Übermaßbehandlung“). Eine betragsmäßige Festlegung ist damit nicht getroffen worden – ein auffälliges Missverhältnis ist aber bereits unterhalb der Wuchergrenze erreicht. Möglicherweise genügt hierfür bereits das Doppelte der üblichen Vergütung (verneint in OLG Karlsruhe, Urteil vom 21. März 1996, Az. 12 U 168/95; hier betrugen die Kosten der Implantatversorgung weniger als das Doppelte der Kosten einer Teleskopversorgung).
Grundsätzlich ist jedoch – anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung – im privaten Krankenversicherungsrecht kein allgemeines Wirtschaftlichkeitsgebot vorgesehen.
FAZIT | Richtigerweise kann die Versicherung nicht den Nachweis verlangen, dass andere ausreichende und zweckmäßige Behandlungsmaßnahmen außer der Versorgung mit einem Implantat nicht zur Verfügung stehen, sondern nur, dass die geplante Behandlung „medizinisch notwendig“ ist. Hierbei kann der behandelnde Zahnarzt seinem Patienten gegenüber dessen Versicherer wertvolle argumentative Unterstützung liefern. Weigert sich der Versicherer, die Kostenübernahme vorab zu erklären, kann der Versicherungsnehmer auf Feststellung der medizinischen Notwendigkeit der beabsichtigten Versorgung klagen. Er trägt dann nicht das ggf. nachlaufende Vergütungsrisiko – muss die Behandlung aber bis zur gerichtlichen Klärung aussetzen. |